Wegen des Krieges: Sternstunde der Demokratie diesen Sonntag im Bundestag.

Zu Tränen gerührt hat mich heute die Debatte im Bundestag, in der Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ankündigte, die Bundesregierung werde 100 Milliarden Euro bereitstellen, um die Bundeswehr wehrfähig zu machen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) bekannte, dass regenerative Energien „Friedensenergien“ seien, weil dadurch immer weniger harte Devisen für Öl oder Erdgas in Diktaturen wie Rußland oder arabische Emirate fließen. Oder Ricarda Lang, Parteivorsitzende der Grünen, die mitteilte, dass heute nicht der Tag sei, „alte Positionen der Grünen zu verteidigen, sondern die Freiheit der Ukraine.“

Mit Scham erinnere ich mich, dass wir als Abiturienten schon einmal gegen den Nato-Doppelbeschluß demonstriert haben, der Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) 1982 das Amt kostete und Helmut Kohl (CDU) an die Macht brachte. Damals fielen wir unserer Regierung in den Rücken, Pershing II-Raketen auf deutschem Boden zu stationieren, die atomare Sprengköpfe tragen konnten, um dem Warschauer Pakt klarzumachen, dass wir die leistungsfähigere Volkswirtschaft haben. Historisch betrachtet, war diese Entschlossenheit die Überwindung der Sowjetunion und des „Kalten Krieges“, die letztlich zur deutschen Wiedervereinigung führte.

Und ehrlicherweise muss man auch rekapitulieren, dass Nazi-Deutschland 1945 weder mit Gebeten noch Friedensdemonstrationen zu beenden war, sondern einzig dadurch, dass nahezu die gesamte Welt zu den Waffen griff, um den Faschismus mit Gewalt in die Knie zu zwingen und dessen Massenmord zu beenden. Ich wollte als Linker dieses Abschreckungsprinzip nach 1989 nicht mehr wahrhaben. Aber zornige Männer wie Putin, Erdogan, Trump, Bolsonaro, Gadaffi oder Saddam verstehen leider nur die Sprache der Härte. Klar sind Investitionen in Bildung, Klimaschutz oder das Vermeiden von Schulden wichtige Anliegen, die Fairness und Humanismus gebieten. Aber der aktuelle Angriff auf die Werte der Demokratie zeigt, dass ohne Wehrhaftigkeit der Freiheit alles sinnlos wird.

Unsere Friedensliebe, Nachgiebigkeit und Gutmütigkeit haben bei Imperalisten und Revanchisten wie Wladimir Putin den Glauben genährt, wir seien schwach und dekadent. In Teilen mag das sogar stimmen, aber auch dafür ist der russische Überfall vermutlich ein heilsamer Weckruf. Es war ein Fehler, nach der Okkupation der Krim 2014 zur Tagesordnung zurückzukehren und die Wehrfähigkeit unserer Bundeswehr weiterhin zu vernachlässigen. Das muss für Putin, der seine hässliche Fratze immer wieder gezeigt hatte, die Einladung gewesen sein, sich nun – als ersten Schritt – die Ukraine einzuverleiben. Denselben Fehler beging die westliche Welt in den 1930er-Jahren, als der Österreicher Adolf Hitler als deutscher Reichskanzler ehemals vermeintlich deutsche Gebiete „heim ins Reich“ holte. Winston Churchill stand lange auf einsamem Posten und galt als Kriegstreiber, ehe die freie Welt erkannte, dass der britische Premier schlicht weniger naiv war als andere.

Ich hätte vor fünf Jahren nicht geglaubt, dass ich als Linker 2022 für eine Aufrüstung der Bundeswehr wäre. Aber ich begrüße diesen Schritt. Und ich revidiere mein Urteil über Annalena Baerbock, die im Wahlkampf 2021 etliche charakterliche Schwächen gezeigt hatte. Ihre Klarheit – und das als Frontfrau der Grünen – beeindruckt mich sehr. Ich bin froh, dass diese junge Frau dem Macho Putin – und seinem Vasallen Gerhard Schröder, für den ich mich als Ex-SPD-Mitglied seit Jahren schäme – die Leviten liest. Und ich bin stolz, dass unsere Gesellschaft mit Guido Westerwelle (FDP) einen schwulen Außenminister hatte, weil wir eine offene, bunte und aufgeklärte Gesellschaft sind. Gerne soll der Bund die Steuern für Besserverdienende wie mich erhöhen: Freiheit ist – wie eine intakte Umwelt – ohnehin unbezahlbar.

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