Die gestaltete Mitte in der Stadtkirche: Im Gebet unseren Fokus auf Gott und unsere innere Mitte richten. FOTO: FROMM
Die gestaltete Mitte in der Stadtkirche: Im Gebet unseren Fokus auf Gott und unsere innere Mitte richten. FOTO: FROMM

Das monatliche Taizé-Gebet mit seinen melodiösen, mehrstimmigen Gesängen, meist auf Latein, in der evangelischen Stadtkirche von Schorndorf spricht mich sehr an. Hier geht es kaum um Kognitives, sondern fast ausschließlich um Spüren und Gefühl. Die eingängigen Gesänge, die vielfach wiederholt werden und in der Seitenkapelle der Stadtkirche von Keyboard, Gitarre und Flöte begleitet werden, wirken in ihrer Schlichtheit gleichermaßen meditativ wie kraftvoll. Dazu wird die Mitte des Stuhlkreises mit einem Kreuz der Orthodoxie, jeder Menge Teelichtern und einem kleinen Rauchfass gestaltet, was die gesamte Atmosphäre warm und behaglich macht.

In Summe haben wir sicher zwölf Lieder gesungen, wobei ich wahlweise Tenor oder Bass singe, womit ich den Chorgesang bereichere und verstärke. Dabei geht es auch hier darum, achtsam auf Geschwindigkeit, Lautstärke etc. der anderen zu hören. So wird der Chor zum Sinnbild für Gemeinschaft, die mit jeder Stimme reicher, vielfältiger und letztlich kraftvoller wird. Dem Einzelnen wäre dieses Klangerlebnis alleine oder nur zu zweit nicht möglich. Vervollständigt wird die gut 50-minütige Liturgie durch eine Schriftlesung, Fürbitten und Stille.

Taizé gilt als Symbol der ökumenischen Bewegung. Der kleine Ort nahe dem ostfranzösischen Cluny ist Sitz einer geistlichen Gemeinschaft, die zum Treffpunkt für Jugendliche aus der ganzen Welt wurde. Gegründet wurde die Gemeinschaft 1949 von dem inzwischen verstorbenen Protestanten Roger Schutz. Jährlich finden auf Einladung der ökumenischen Bruderschaft von Taizé um die Jahreswende Europäische Jugendtreffen statt. Diese Veranstaltungen verstehen sich als „Zeichen der Hoffnung“ und wollen Begegnung zwischen Nationen und Konfessionen ermöglichen.

Die erste Zusammenkunft gab es 1978 in Paris. Zu den mehrtägigen Veranstaltungen, die unter anderem in Breslau, Warschau, Budapest, Köln, München und Wien stattfanden, kommen jeweils zwischen 80.000 und 100.000 Jugendliche aus allen europäischen Ländern. Im Mittelpunkt der Treffen, die jährliche Etappen auf dem von Taizé ausgehenden „Pilgerweg des Vertrauens“ sind, stehen Gebete, Meditationen und Gottesdienste. Mit unserem Schorndorfer Taizé-Gebet sind wir Teil dieser Weltgemeinschaft und Friedensbewegung. Am Mittwoch, 4. März, treffen wir uns um 19 Uhr wieder.

Bei allen Aktivitäten, die ich zum Wohl unserer Gesellschaft, der Weitergabe des Glaubens, der Bewahrung der Schöpfung oder auch des (Welt-)Friedens erbringe, werden mir mit zunehmendem Alter Spiritualität und Gebet wichtiger. Denn nicht nur werde ich älter und müder, auch anerkenne ich immer mehr meine eigene Begrenzung. Da ist es günstig, Gott vertrauen zu können und seinen müden Geist und Körper vor ihn zu bringen. Letztlich mit der Bitte, dass er Weisheit und Erkenntnis über uns Menschen ausgieße, damit wir liebevoll und barmherzig werden mit uns selbst, unseren Mitmenschen, jeder Pflanze und jeder Kreatur. Denn im wahrsten Sinn des Wortes: Die Welt brennt!

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