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Über die Männerarbeit habe ich voriges Jahr im Juni in Berlin Torsten Nassall kennengelernt, der einige Jahre jünger ist als ich. Er hatte organisiert, dass wir bei dem Männerkongress MaleVolution uns mit einem Messestand unserer internationalen Organisation ManKindProjekt (MKP) präsentieren konnten. Zusammen mit unserem Bundesvorsitzenden aus Stuttgart übernachtete ich bei Torsten, an dem mir vor allem seine sehr vielen Tätowierungen auffielen. Als reflektierter Mann nahm ich sofort wahr, dass sie mir unangenehm waren und ich in der Gefahr stand, ihn dafür abzuwerten und mich über ihn zu stellen.

Zugleich wusste ich, woher dieser Schatten kommt: Aus meiner bürgerlich-christlichen Herkunft, in der vor allem meine Mutter dies gemacht hatte und dann allenfalls als „Retterin“ sich um „den armen Torsten mit den vielen Tätowierungen“  gekümmert hätte. Um genau diesen Impuls zu unterdrücken, berührte ich Torsten mit der rechten Hand auf seiner linken Schulter in seiner Küche, während er auf der Anrichte Gemüse schnippelte und wir beim Sprechen deshalb keinen Blickkontakt hatten.

Intuitiv drehte er sich um und fragte mich mit dem Messer in der Hand: „Habe ich Dir erlaubt, dass Du mich berührst?“ Diese Reaktion habe ich dermaßen kraftvoll und ehrlich erlebt, dass ich mich sofort zurücknahm und Torsten nun als „sehr interessant“ wahrnahm. Damit hatte er meine volle Aufmerksamkeit – und meinen Respekt. In den beiden Folgetagen hatten wir während des Tages und abends sehr viel Kontakt. Ich nahm wahr, wie souverän er am Messestand Männer ansprach; wieviel Raum er diesen Männern gab statt sie zuzulabern u.v.m.

So kamen wir in eine innere Verbindung, die sich zur Freundschaft verfestigte, zumal wir seither noch bei zwei Wochenendtrainings in der Schweiz und in Niederbayern gemeinsam im Leitungsstab waren. Und unterm Jahr simsen und telefonieren wir immer wieder und tauschen uns über unsere Befindlichkeiten und Aktivitäten in der Männerarbeit aus. Deshalb kenne ich wichtige Teile seiner Biographie, auch seinen 18-jährigen Sohn und typische Verhaltensweisen von ihm. Ich schätze seine klare Art und vor allem die unendliche Kraft, mit der er sich selbst aus all seinen Verzweiflungen und Süchten (Fressen, Saufen, Drogen) herausgearbeitet hat.

Den Text, mit dem er sich nun auf der Homepage der Christiane F-Foundation präsentiert, durfte ich vor seiner Veröffentlichung gegenlesen. Obwohl auch meine Kindheit und Biographie von vielen Niederlagen und Demütigungen geprägt ist, lief mir ein Schauer über den Rücken als ich seine Suchtbiographie redigierte. Und in seinen Zeilen spürte ich die Willenskraft und den Lebenshunger, die dieser wunderbare – und vom Leben gezeichnete, also tätowierte – Mann verkörpert, lebt und ausstrahlt. Einfach und bequem ist Torsten nicht, der sich nun als Männer-Coach und Speaker in Berlin positioniert. Aber er ist echt, kraftvoll, stringent, leidenschaftlich – und ein Vorbild.

Torsten lebt mir vor, dass Veränderung immer und überall möglich ist. Und (Selbst-)Vergebung auch. Wenn ihr also in Berlin seid oder gar dort wohnt, lade ich euch ein, ihn kennenzulernen und idealerweise eines seiner Angebote zu besuchen. Der Mann ist ein Erlebnis, der mich immer neu inspiriert und herausfordert und der mich Achtsamkeit lehrt, z.B. bei meinen  Schatten und Projektionen genau hinzuschauen.

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