Der Unternehmer gibt viele intime Details preis. Etwa, dass sein Vater nicht sein leiblicher Vater war, sondern der Nachbar. FOTO: FROMM

Dass Dirk Rossmann kantig sein würde, hatte ich erwartet, nach allem, was ich in Interviews über den Hannoveraner Drogeriemarkt-König gelesen oder in Talk-Shows von ihm gehört hatte. Seine Biographie „…dann bin ich auf den Baum geklettert!“ vertieft aber den Blick auf den Selfmademan nochmal deutlich, beleuchtet Hintergründe und Motive für seine Geschäftstüchtigkeit und gewährt intime Einblicke in seine Selbstzweifel und Krisen. Auch wirtschaftshistorisch sind die 238 Seiten interessant, skizzieren sie doch nochmals die Ausgangslage mit dem Mangel nach dem Zweiten Weltkrieg, den apothekenähnlichen Drogerien oder der bis 1972 geltenden Preisbindung.

Schon hier wird deutlich, wie der junge Rossmann immer wieder Chancen zu nutzen verstand; bereit war, Risiken einzugehen; die Bedeutung von Marketing erkannte und die Fähigkeit hatte, groß zu denken. Diese Ressourcen paart er mit Loyalität, die er innerhalb der Familie lebt und später auf seine 50.000 Mitarbeiter überträgt; Ehrlichkeit, mit der der mittlerweile 72-Jährige offenbar nur reelle Geschäfte macht und Lernfähigkeit, mit der er etwa die Nähe zu dm-Chef Götz Werner sucht und Erfolge anderer, etwa im Discount, zu adaptieren versteht auf die eigenen Belange. Die Episode, in der Rossmann ausführlich beschreibt, wie er sich letztlich um den Wehrdienst drückt, macht deutlich, wie er gleichermaßen hartnäckig wie furchtlos ist.

Am meisten berührt mich, wie er sich als 14-Jähriger über Jahre die Lektüre Artur Schopenhauers ohne höhere Schulbildung autodidaktisch erarbeitet, weil er spürt, dass es neben dem Materiellen eine geradezu kosmische Ebene gibt. Bei  dem Philosophen saugt er Sätze auf wie diesen, wonach die meisten Menschen nur deshalb ihre Ziele nicht erreichen, weil sie zu früh aufgeben. An etlichen Stellen gehe ich mit dem Milliardär in Resonanz, weil etwa auch ich bereits als 14-Jähriger Geschäftsideen entwickelt habe, um meiner ärmlichen Kindheit zu entgehen. Und ich freue mich, in seinem Buch Sätze zu lesen, wie diesen: „Manche äußerst klugen Leute sind deshab nicht erfolgreich, weil sie zu viel über alles nachdenken, nur die Risiken sehen und abwägen.“

Auch seinen Reichtum thematisiert der Atheist. Der Begriff „vermögend“ treffe es aber besser, zumal sein eigentlicher Reichtum viele soziale Beziehungen seien. Und ein paar Seiten weiter teilt er seinen Lesern mit, Besitz und Ehre seien flüchtig. Wirklich einmalig und kostbar dagegen sei, über Persönlichkeit zu verfügen. Diese möchte ich dem schillernden Unternehmer, der sich an anderer Stelle auch fair über Journlisten äußert, auf jeden Fall attestieren. Dass er persönlich eher bescheiden lebt und seine Ressourcen für viele soziale Projekte einsetzt, glaube ich ihm gerne. Sympathisch auch, dass der einst Schüchterne und Unterschätzte mittlerweile seine Geltungssucht abgelegt habe. All diese Reifungen kenne ich auch von mir, zumal uns eine mehrjährige gestalttherapeutische Ausbildung verbindet.

So betont Rossmann, sein Erfolg basiere maßgeblich auf seinen psychologischen Erkenntnissen und der Selbsterfahrung. Ein flott geschriebenes, wirklich lesenswertes Buch, das zudem die aktuelle Bestseller-Liste anführt. Vermutlich auch, weil die renommierten Journalisten Olaf Köhne und Peter Käfferlein es geschrieben haben. Das Duo hat bis 2014 die Chefredaktion des ARD-Talks „Beckmann“ verantwortet. Erschienen ist die Biographie bei Ariston und sie kostet 20 Euro.

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