Lange Reise, großes Ziel: Phii Bjeth (v.l.) mit meiner Nichte und seiner Frau an unserem Abschiedsabend in Karvat im Norden Thailands. FOTO: FROMM

Meine Nichte, mit der ich ab Silvester zwei Wochen Thailand bereist habe, hat mich heute früh angerufen, dass unser thailändischer Freund Phii Bjeth heute Nacht im Krankenhaus in Karvat gestorben ist. Wir hatten den 68-Jährigen als Ätesten einer großen Familiensippe kennengelernt, in die mein Freund aus Nürnberg vor 20 Jahren eingeheiratet hatte.

Er hatte uns auch eingeladen, mit ihm die Heimat seiner Frau zu bereisen, in der sechs ihrer Geschwister leben. So verbrachten wir Silvester in Bangkok und fuhren dann mit dem Mietwagen drei Stunden gen Norden in die Millionenstadt Karvat, wo mehrere Geschwister in drei Häusern beisammen wohnen.

Hier lernte ich Phii Bjeth kennen, der als Mechaniker bis zu seiner Pensionierung beim Militär als Soldat gedient hatte (und deshalb auf die Kambodschaner als Erzfeinde schlecht zu sprechen war), der US-amerikanischen Whisky liebte (und diesen abends in großen Mengen konsumierte) und der täglich auf einem Fahrrad seine Runden drehte.

Als er sah, dass ich zeitgleich joggen ging und erfuhr, dass ich gerne per Rad die großflächige und weitläufige Stadt erkundet hätte, stand er tags darauf bei uns vor dem Haus – mit einem zweiten Fahrrad – und lud mich mangels gemeinsamer Sprache gestenreich ein, ihm zu folgen.

Er strahlte eine solche Gewissenhaftigkeit und ein solches Vertrauen aus, dass ich hinter ihm her pedelierte, über größte Kreuzungen, verwinkelste Gassen und durch dubiose Quartiere. Stolz führte er mich zu einer großen Kaserne, neben der ein prächtig angelegter Park mit Spielplätzen, Sportgeräten und einer Joggingstrecke um einen sauberen See angelegt war. Das weitläufige und von Joggern gut besuchte Areal hob sich angenehm ab, von den ansonsten weithin vermüllten Straßen und Flächen.

Last Whiskey: Ich hätte nicht gedacht, dass dies mein letztes Glas mit Phii Bjeth ist. FOTO: BAN

Er forderte mich auf, meinem Hobby zu frönen und joggend in der abendlichen Hitze meine Runden zu drehen, während er Zigaretten rauchend geduldig auf mich wartete. Er zog ein gelbes Plastikhandy aus seiner blauen Jogginghose, mit dem er mich sogar filmte. Wie ich später erfuhr, lud er noch während meiner sportlichen Aktivität auf Facebook hoch, so dass der gesamte Clan bereits vor unserer Rückkehr informiert war, was los war.

Das war Phii Bjeth: Immer für eine Überraschung gut und keinesfalls sollte man ihn unterschätzen. Am letzten Abend vor unserer Abreise gestikulierten wir wieder mit Händen und Füßen, dreierlei Whiskey-Sorten auf dem Tisch und prosteten uns immer wieder zu und versicherten, wieder zu kommen. Meine Nichte Sophia hatte der Patriarch gar so ins Herz geschlossen, dass er ihr erlaubte, ihn „Papa“ zu nennen.

Und schließlich machten wir nach Mitternacht noch Fotos wie dieses, ehe der Sippenälteste (seine Frau war Stunden zuvor gegangen) unsere Veranda räumte und die wenigen Meter weiter zu seinem Haus ging. Welch großes Herz der nun Verstorbene hat, machte er aber am folgenden Tag deutlich.

Wir waren bereits drei Stunden auf der Autobahn Richtung Flughafen als der Senior auf das Handy seiner in Deutschland lebenden Schwägerin, die uns begleitete, folgende Nachricht schickte: „Gestern war hier noch alles so lebendig. Und nun seid ihr fern. Die Veranda steht leer. Aber in unseren Herzen lebt unsere Beziehung weiter und ich weiß, dass wir uns wieder sehen werden. Kommt bald wieder.“

Schöner hätte ich unsere Begegnung und unsere Beziehung nicht beschreiben können. Phii Bjeth, der in einer völlig anderen Kultur, Religion und Gesellschaft gelebt hat und einer anderen Ethnie angehörte als ich, bleibt mein lebender Beweis, dass keine Rasse, Kultur, Bildung oder Religion besser als eine andere ist. Wir sind alle Menschen. Alle fähig, zu lieben und Liebe zu empfangen. Auch ohne viele Worte. Gute Reise, mein Freund.

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