Fachmännisch und zupackend nehmen die Jäger gleich bei der Jagdhütte die erlegten Tiere aus. FOTOS: FROMM

Sechs Rehe und je zwei Frischlinge und Füchse waren am Samstag die Ausbeute bei einer dreistündigen Treibjagd, an der ich bei Magstadt als einer von 17 Treibern teilgenommen habe. In mehreren Quartieren scheuchten wir in schneebedeckter Landschaft für 20 Jäger auf ihren Ständen das erhoffte Wild auf.

Tage vor meinem Einsatz werde ich telefonisch erstmals instruiert: Winter- und reißfeste Kleidung samt Kopfbedeckung und Handschuhen sind vorgeschrieben; orangene Signalwesten; immer mit den anderen Treibern in einer Linie bleiben und sämtlichen Anweisungen unverzüglich Folge leisten. Am Samstag um 9 Uhr auf dem Waldparkplatz folgt dieselbe Unterweisung noch einmal, nachdem sich die meisten Jäger und Treiber sehr herzlich begrüßt haben.

Meine Grundeinstellung: Wer Fleisch ist, sollte auch beim Metzgern zumindest mal dabei gewesen sein.

Die beiden Pächter teilen Jäger und Treiber in je drei Gruppen ein, die nun bis 10 Uhr ihre Positionen einnehmen. Sämtliche Zugangswege in den Wald sind mit rot-weißen Bändern abgesperrt und auf der Kreisstraße weisen viele Warnschilder auf die Treibjagd hin. Sicherheit wird großgeschrieben. Auch etliche Hunde sind dabei, deren Jagdtrieb in der eisigen Kälte deutlich zu spüren ist. Auch sie erhalten weithin leuchtende Signalgeschirre.

Zu viert durchkämmen wir an der Kreisstraße entlang ein Waldgebiet. Auch meine drei Kollegen, von denen zwei mit Hund gehen, sind Jäger. Novizen wie mich gibt es sonst heute nur einen. Mit einem langen Stab schlage ich immer wieder gegen Bäume, rufe laut „Hossa, hossa“ oder gebe sonstige Laute von mir. Mal geht es quer durch stachelige Brombeerhecken, mal über am Boden liegende Bäume oder durch teils zugeschneite Bachbetten.

Wichtig ist, die Linie zu halten – und den Abstand von 30 bis 50 Metern zum Nebenmann. Auf Sichtweite eben. Also mitten durch. Das kostet Kraft, gelegentlich auch Überwindung und immer bin ich in der Erwartung, dass jederzeit ein Reh, ein Wildschwein oder ein Fuchs vor mir aufspringen. Bald sehe ich links von mir – ganz in Orange – den ersten Jäger auf seinem Stand. Weitere, deren Stände in den Tagen zuvor hierher mitten in den Wald gebracht wurden, folgen.

Es hat etwas Archaisches: Beim Aufschneiden dampfen die Tiere noch, deren Wärme auf die frostige Umgebungskälte trifft.

Vereinzelt höre ich auch mal einen Schuß oder die Information, ein Frischling oder ein Reh seien erlegt worden. Auf einem offenen Hänger versetzt uns der Pächter zweimal in weitere Quartiere, wo wir teils zu acht „drücken“. Alle 50 Meter steigt einer ab und auf „los“ gehen wir in einer Linie lärmend in den Wald. Etliche Männer tragen lange Messer am Gürtel. Jederzeit zum Töten bereit.

Punkt 13 Uhr endet die Treibjagd und wir sammeln uns an einem Jagdhaus, wo wir an einem offenen Feuer mit Brezeln und Kaffee empfangen werden. Nach und nach kommen die Trupps und legen ihre Beute ab, die die Jäger gleich vor Ort mit scharfen Messern und gekonnten Schnitten aufbrechen. Sämtliche Innereien holen sie heraus, fachsimpeln dabei und geben Laien wie mir Nachhilfe in Biologie und Anatomie.

Von Fachkompetenz und zupackender Art der Jäger bin ich beeindruckt. Nebenbei erfahre und frage ich viel. So gehört das Wild den Pächtern, die es aber meist noch vor Ort den Schützen oder anderen Jägern überlassen. Diese beliefern teils Freunde oder Gastronomen mit dem Wildfleisch, dessen Kilo netto rund 12 Euro kostet. Viele Jäger haben ihre Kühltruhen zu Hause so voll, dass sie gerne auch mal Schnitzel oder vegetarisch essen.

Auch Hunderassen, Jagdwaffen und die Rückkehr des Wolfes sind beliebte Themen. Ein Jäger sieht die Treibjagd kontrovers. Er sitze lieber vier Stunden auf seinem Ansitz im Wald und warte, was passiert, „statt den Tieren Stress zu machen, die jetzt im Winter ihren Organismus heruntergefahren haben.“ Auch ärgert er sich über Schützen, „die nicht richtig schießen können, weil dann das Tier leidet.“

An den toten Tieren bin ich beeindruckt über die Größe der Einschusslöcher, aber auch die Präzision der meisten Schüsse direkt ins Herz. Am Morgen hatte der Pächter noch ausgegeben, es dürfe nur „stehend“ geschossen werden. Am Mittag habe ich dieses Jägerlatein verstanden. Das Tier darf nicht in Bewegung beschossen werden, weil Treffer sonst unkalkulierbar sind. Auch bin ich beeindruckt, dass jeder Jäger offenbar nur sechs, sieben Schuss Munition dabei hat. Ich hatte mit mehr Geballer gerechnet.

In Summe, so der Pächter, müsse sein Bestand jährlich um 35 Rehe dezimiert werden, damit er konstant bleibt. 25 Rehe würden geschossen, davon am Samstag sechs bei der einmaligen Treibjagd pro Jahr. Rund zehn werden von Autos bei Nacht überfahren. Der Wert ist hoch, aber typisch für den Ballungsraum Stuttgart mit seiner hohen Verkehrsdichte – und unbelehrbaren Autofahrern.

Vermutlich bin ich 2018 wieder dabei. Denn während der gesamten Treibjagd habe ich nur Vögel gesehen. Vor dem anderen Novizen dagegen sind in zwei Metern Entfernung drei Wildschweine aus einer Brombeerhecke aufgestoben. Wichtig war mir als Noch-Nicht-Vegetarier, beim Töten und ausnehmen einmal selbst dabei gewesen zu sein. Es hat etwas Archaisches. Und in aller Achtsamkeit kann ich die aufgebahrten Tiere in ihrer Ästhetik betrachten und erahne die Brillianz der Schöpfung.

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