Holte den Kenner der US-Kultur, Styles Sass (l.), zu einem spannenden Vortrag bei den „Paulanern“ nach Schorndorf: Der evangelische Pfarrer Thomas Oesterle (r.). FOTO: FROMM

Ein spannendes Psychogramm der US-Kultur hat Dr. Styles Sass beim Männerkreis „Paulaner“ in Schorndorf gezeichnet. Vor 60 Zuhörern gab der US-Amerikaner, der in Stuttgart mit einer Deutschen verheiratet ist, am Mittwoch tiefe Einblicke in die Zerrissenheit der US-amerikanischen Gesellschaft.

Rassismus, eine Art Kulturkampf und die Wechselwirkung von Republikanern und Demokraten, die in den vergangenen 40 Jahren ihre Rollen verkehrt hätten, seien die Ursachen für das Phänomen Donald J. Trump als US-Präsident, der die Nation spaltet wie kein anderer zuvor. Die Rassendiskriminierung, so Sass, sei vor 50 Jahren zwar per Gesetz verboten worden, aber nicht abgeschafft.

„Die Ressentiments wurden seither unterdrückt, in Peer Groups privatisiert und in einer Code-Sprache chiffriert, aber die Haltung dahinter kaum geändert,“ so der Politikwissenschaftler. Offenen Rassisten, wie es sie in den USA noch immer gebe, sei „political correctness“ ohnehin verhasst. Daneben gebe es latenten und unbewussten Rassismus. Spürbar wurde dieser in der Person Barack Obamas, der als Sohn einer promovierten Weißen im liberalen Hawai groß wurde.

Sass nennt zwei Beispiele für seine These: „Dem intelligenten Obama legte man sein Auftreten als arrogant aus; wäre er weiß gewesen, hätte es als selbstbewußt gegolten.“ Und seine Gesundheitsreform, die mehrheitsfähig war, hätten die Republikaner in Obama-care umettiketiert, damit sie umstritten wurde, obwohl sie dieselben Inhalte umfasste.

Trump habe früh diese Ressentiments zu befeuern gewusst. Seine Kampagne begann damit, dass er streute, Obama sei Afrikaner und Muslim. Und als der Demokrat seine Geburtsurkunde vorlegte, forderte Trump, er solle seine Examenszeugnisse öffentlich machen. Mexikaner nannte der Präsidentschaftskandidat Drogendealer und Vergewaltiger, Muslime Terroristen. Damit bediente Trump die Rassismus-Ressentiments in der Bevölkerung.

Mehr noch: Er befeuerte den Culture War, in dem US-Amerikaner diskutierten, was amerikanisch sei. Diese Debatte war wiederum davon geprägt, dass bis zur Aufhebung der Rassengesetze die US-Gesellschaft weiß, christlich und männlich wahrgenommen wurde. Schwarze waren bis dahin als Diener unsichtbar, was sich nun änderte. Sie wurden selbstbewusst, nutzten ihre Bildungschancen und stiegen sozial in der Gesellschaft auf – wie US-Asiaten auch.

Am 17. Mai 2012 wurde als Ergebnis der alle zehn Jahre stattfindenden Volkszählung publiziert, dass es erstmals mehr Geburten nicht-weißer Kinder in den USA gebe, was Konservative mit der Botschaft verknüpften: Die Weißen gehen unter. Vize-Präsidentschaftskandidatin Sarah Palin habe erstmals den Satz geprägt „take our country back“, den Trump übernommen habe. Dieser Satz impliziert, Fremde hätten das Land gestohlen, das man sich nun wieder aneignen müsse.

In diese Debatte der Ethnien spielen viele Faktoren hinein, so Sass vor den „Paulanern“: Der Streit zwischen Wissenschaft und Religion, ob man den Darwinismus lehrt, führte massenhaft zum Private Scooling evangelikaler Eltern. Weitere Streitpunkte waren der Klimawandel und dessen Ursachen, Abtreibung, Homosexualität und der Stadt-Land-Konflikt. Denn weil in vier von 50 Bundesstaaten die Hälfte aller US-Amerikaner lebt, fließen dorthin die staatlichen Infrastrukturgelder, wodurch sich die Landbevölkerung noch mehr benachteiligt fühlt und in die Identität des „wahren Amerikas geht, wo die Menschen hart arbeiten, karg leben und an Gott glauben.“

Und schließlich: Abraham Lincoln hatte im Norden die Republikaner gegründet, um die Sklaverei der Demokraten im Süden abzuschaffen. Seither waren die Demokraten unzufrieden mit ihrer Situation und der republikanische US-Präsidentschaftskandidat Richard Nixen hatte in den 1960ern die Idee, mit Versprechungen diese Unzufriedenen für sich zu gewinnen. Seit dieser Zeit drehten sich die inhaltlichen Positionen beider Parteien bis ins Gegenteil heute, so der Referent.

„Heute sind die Republikaner die Rebellen, die ihre Wähler mit Versprechen locken, die sie aber nie halten“, sagt Sass und nennt als Beispiele die zwölf Millionen illegalen Hispaniks in den USA, die sie ausweisen wollen; Obama-care kippen und eine Mauer zu Mexiko bauen. Nichts von dem allen geschieht und wer dies kritisiert, bekomme seit 40 Jahren zur Antwort: „Dann geh` doch nach Rußland.“ In diesem Klima sei zu verstehen, warum Trump im Wahlkampf jeden Fehler machen und jedes Tabu brechen konnte und doch die Wahl gewann.

Für Sass ist klar: „Trump hat den Nimbus des Unbesiegbaren, wonach sich viele Amerikaner sehnen.“ Und: Viele führende Republikaner hätten Trump unterschätzt und gedacht, mit ihm als Präsident hätten sie freie Hand. Schließlich schlug der Referent in 60 Minuten den Bogen zu Europa: England mit dem Brexit, Marie Le Pen in Frankreich oder die AfD in Deutschland argumentierten alle nach dem Trump-Muster: Wir holen uns unser Land zurück. Das sei sehr gefährlich, schloss der Politikwissenschaftler, der an seine Zuhörer appellierte, politisch zu sein.

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