Eine Woche hat im Herbst 2015 Lokalredakteur Peter Schwarz mit Flüchtlingen in Waiblingen in einer Turnhalle gelebt und täglich ganzseitig in der Presse darüber berichtet. Für die Pfarrerin der Schorndorfer Stadtkirche, Dorothee Eisrich, war dies Anlass, ihn nun zur „Stadtkirche am Abend“ einzuladen, damit er über „Mitgefühl verändert“ spricht.
In seiner launigen Rede sprach Schwarz lieber von Neugierde als journalistischer Grundhaltung, die dem Mitgefühl vorausgehe und handwerklichen Grundprinzipien. Denn wer vor Ort recherchiert statt vom Büro aus, erhalte mehr Informationen und Eindrücke. Zudem freuten sich Menschen grundsätzlich, wenn man sich für sie interessiere. Und: Gute Reporter-Geschichten lebten davon, dass es Helden und Schurken gibt, weshalb man nie zu genau hinschauen dürfe, weil sich Klischees dann differenzierten.
„Alles ändert sich, wenn sich ein Aktenzeichen in einen Menschen verwandelt“, so Schwarz, der eine prägende Erfahrung aus seinem Elternhaus preisgab. Demnach war die Tochter einer befreundeten Familie gestorben und der kleine Peter erlebte die Diskussion seiner Eltern, in der die empathische Mutter dafür plädierte, die Freunde zu besuchen, während der intelligente Vater davor warnte, dies könne aufdringlich, peinlich und gar voyeristisch sein.
Die pragmatische Mutter setzte sich mit der Bemerkung durch „einfach mal hingehen und dann schauen.“ Und offenbar war dies die richtige Entscheidung. Auch über Redakteure sagt Schwarz, „es genügt nicht die Vogelperspektive.“ Ein Journalist müsse hinsehen und hingehen und sich berühren lassen. So kam es zu seinem Besuch in der Turnhalle und der später preisgekrönten Berichterstattung, die auch ich von Anfang an für die einzig richtige Vorgehensweise hielt.
So erlebte Schwarz Männer, die in Turnhallen – durch Bauzäune abgetrennt – zu acht auf Gevierten von 32 Quadratmetern lebten. Sobald er ein solches Quartier betrat, waren die Rollen vertauscht – und er der Gast, der alle Gefühle mit den Männern teilte, tiefe Einblicke in ihre Traumata bekam und deren Gastfreundschaft trotz des Mangels erlebte. Bis zu dreimal habe er an manchen Tagen zu Mittag gegessen, so der Referent, der vom Ambo aus sprach.
Und da Schwarz auch schon nach dem Amoklauf von Winnenden im März 2009 vor Ort mit Opfern und Angehörigen sprach, ist er in sensiblen Situationen erprobt. Sein Credo: „Wenn man sich echt statt taktisch verhält, macht man nichts falsch.“ Intuitiv habe er stets angemessen reagiert, wenn der andere etwa geweint hat. Interesse am anderen sei wichtiger als ein „perfekter Gesprächsverlauf“. Die vielen Begegnungen inseinem beruflichen Alltag hätten ihn verändert, weil Nähe Mitgefühl stiftet.
„Neugierde hilft gegen Angst vor dem Fremden“, empfahl er seinen gut 100 Zuhörern, die ihm gebannt lauschten. Es sei sein berufliches Privileg, bis zur Schamlosigkeit neugierig sein zu dürfen. Neugierde, so der gebürtige Ellwanger, sei die „Startrampe zum Mitgefühl.“