Die „Süddeutsche“ schreibt über Finanztransparenz unter Bürgern.

Mit ihrem Plädoyer für finanzielle Transparenz in Familie und Gesellschaft schreibt mir Lea Hampel in der Süddeutschen vom 14. Juni unter der Überschrift „Kontoauszüge auf den Tisch“ regelrecht aus der Seele. Denn viel basisdemokratischer wäre, man wüsste bei jedem Debattenbeitrag, ob der Redende monatlich nun über 1200 Euro verfügt oder 12.000. Denn schon bei der Selbsteinschätzung, ob man „arm“, „wohlhabend“ oder „vermögend“ sei, wird in Deutschland getrickst, gemogelt und sediert.

Was wäre aber dabei, wenn der Nachbar über mehrere Millionen Euro in Immobilien, ETFs und Festgeldern verfügt? Irgendwo in Deutschland muss das viele Geld ja sitzen. Das wären spannende Gespräche, wenn man mehr über das Elternhaus des Freundes erführe, in dem der selbstständige Vater über seine Verhältnisse gelebt und deshalb nur Schulden vererbt hat. Oder über die Einwanderer, die viel gespart und viele Nebenjobs ausgeübt haben, und so zu ihrem Besitz kamen.

Wir bräuchten nicht das Schulfach „Wirtschaft“, das Konservative immer wieder fordern, würde in den Elternhäusern mehr über Einnahmen und Ausgaben gesprochen, was z.B. der Vater brutto und was er netto verdient; was die Familie monatlich fürs Wohnen ausgibt oder jährlich fürs Reisen. Auch steuerliche Aspekte würden plötzlich sicht- und spürbar; die Relevanz einer Inflationsrate oder von Zinsen. So würde mancher besser verstehen, dass es für ihn machbar wäre, eine Immobilie zu erwerben.

Schon den Neffen, der eine neue Stelle angefangen hat, nach seinem Jahresgehalt zu fragen, offenbart oft die Misere: Er kann nur sein monatliches Netto sagen, weil ihm für mehr der Kontext fehlt. Das sagt viel über Elternhaus und Freundeskreis – und worüber da eben nicht gesprochen wird. Noch spannender wäre, die Kollegen tauschen sich über ihre Gehälter aus oder diese wären intern für jeden ohnehin einsehbar.

Ich hätte kein Problem, Kolleginnen zu erzählen, weshalb ich 50 oder 100 Prozent mehr verdiene. Z.B. weil ich besser organisiert, entscheidungsfreudiger und somit effizienter bin! Oder weil ich auch abends oder am Wochenende noch etwas arbeite (leiste!), wenn es mir zielführend und sinnstiftend scheint. Viele Chefs differenzieren die Gehälter ihrer Mitarbeiter und haben dafür logische Begründungen – nur kommuniziert wird das nicht. Geheime Kommando-Sache, weil auch der Chef feige und konfliktscheu ist.

Immobilienbesitz verbessert den Vermögensaufbau.

Weil ich mit Menschen viel über Geld rede, z.B. meine Stundensätze, meine Immobilien(-schulden), meine jährliche Steuerersparnis oder meinen Konsumverzicht, weiß ich auch von anderen relativ fiel über deren Vermögenssituation, monatliches Einkommen oder künftige Rentenanwartschaften. Ich halte das für seriös und stimmig, weil man so auch einen sozialen Ausgleich schaffen kann unter Freunden, Verwandten oder in der Partnerschaft.

Denn wenn der Arzt mehr verdient als die Krankenschwester, mit der er liiert ist, ist es auch fair, wenn er zwei Drittel am gemeinsamen Urlaub zahlt oder an der Miete. Auch könnte man der Tante die Reisekosten zahlen, um auf Besuch zu kommen, weil sie Zeit aber kein Ged hat – und beim Neffen ist es umgekehrt. Geld würde dann zum Werkzeug, mit dem man Probleme löst. Noch ist es aber oft so, dass der, der ehrlich über seine guten finanziellen Verhältnisse spricht, zur Antwort bekommt: „Na, dann kannst Du ja jetzt die Rechnung hier im Lokal bezahlen.“

Besser dagegen wäre, wenn Non-Profit-Organisationen wüßten, wen sie um eine Spende oder Förderung ansprechen sollen: Denn oft steht es liquiditätsmäßig um den unscheinbaren Beamten besser als um den Unternehmer, der vom Mindestlohn über die höheren Energiekosten, Brand- und Arbeitsschutzmaßnahmen bis zu den Zöllen alles ausgleichen muss. Grotesk: Über unsere sexuellen Präferenzen wissen vermutlich unsere Freunde heute mehr als über unsere finanzielle Situation. Lea Hampel sei Dank, dass sie mit Ihrem Essay das Thema beleuchtet hat. Mit ihrem Text hat sie demnach 425 Euro brutto verdient – die Frau ist sympathisch ehrlich.

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