Ezé rockt den Saal. Hinter ihm (v.l.) Rashid, Ananka, Nader, eine Dolmetscherin und Kishkourna.

Ein Hochfest von Demokratie und Pressefreiheit war die 12. Verleihung des Johann-Philipp-Palm-Preises gestern, Sonntag, in der Schorndorfer Barbara-Künkelin-Halle im Beisein von gut 300 lokalen Repräsentanten aus Politik, Verwaltung, Kirche und Gesellschaft. Mit Standing Ovations wurden die Journalistinnen Maryna Zolatava, die seit vier Jahren in Weißrussland inhaftiert ist, und die Afghanin Zahra Nader, die im kanadischen Exil ihrer Arbeit nachgeht und am 1. Advent anwesend war, minutenlang für ihren Mut gewürdigt.

Alle zwei Jahre vergibt die Palm-Stiftung den mit 20.000 Euro dotierten Journalisten-Preis. Namensgeber ist der 1766 in Schorndorf geborene Buchhändler Johann Philipp Palm, den Napoleon 1806 erschießen ließ, weil er nicht die Namen der Autoren verriet, deren Pamphlet sich gegen die französischen Besatzer richtete, das er vertrieb. Heute verdient die Familie Palm ihr Geld im Immobiliensektor als Vermieter meist denkmalgeschützter Objekte und als Bauträger mit Sitz in Schorndorf.

Zolatava hatte in Belarus das Online-Nachrichten-Portal tut.by gegründet, über das sich in der Spitze ein Drittel aller Weißrussen täglich informierten. Laut Reporter ohne Grenzen, rangiert das von Diktator Alexander Lukaschenko regierte Land auf Platz 167 von 180, was die Presseunfreiheit betrifft. Als 2020 die Proteste im Land zunahmen, so die Slawistin Dr. Yaroslava Ananka, die die Laudatio hielt, hätten die Geehrte und ihr Team bis zu ihrer Verhaftung mutig darüber berichtet.

Zolatavas Ehemann Wasil Kishkourna, der mit den beiden Kindern seither in Polen im Asyl lebt und gestern anwesend war, berichtete, dass seine Frau die Ehrung nur erahnen könne. Denn in dem kurzen, monatlichen Telefonat mit ihr und dem Brief, den er ihr monatlich schreiben dürfe, müsse er wegen Zensur und Strafe vorsichtig sein. Er sei privilegiert, denn von vielen Gefangenen wisse man teils seit zwei Jahren nichts.

„Jeder Tag in Haft ist dort Folter,“ sagte Kishkourna auf Deutsch und mahnte einen härteren Kurs des Westens gegen Diktatoren an: „Die heutigen westlichen Politiker, die keinen Krieg erlebt haben, verhandeln lieber 1000 Stunden als eine Minute zu schießen.“ Ananka hatte zuvor betont, nachdem die Diktatur sie totschweige: „Maryna ist furchtlos und dieser Preis geht ins kollektive Gedächtnis über, das keine Diktatur löschen kann.“

Dass das Auditorium und die Medien, die über die Preisverleihung berichten, wichtige Mutmacher für die unterdrückte Pressefreiheit sind, betonte auch Abdul-Ahmed Rashid. Der ZDF-Redakteur und Islamexperte mit afghanischen Wurzeln würdigte Zahra Nader, die das Online-Nachrichtenmagazin Zan Times leitet. Zan ist persisch und heißt Frau, weil das Portal den Frauen in Afghanistan eine Stimme gibt, die die Taliban unsichtbar machen wollen.

„Die Taliban sind eine religiöse Sekte, die mit ihren archaischen Vorstellungen das Land ruinieren,“ so Rashid. Nader, deren Portal auf Englisch und Persisch erscheint, koordiniere heute von Kanada aus ihre Mitarbeiterinnen, die unter Decknamen und ohne voneinander zu wissen, über die Missstände unter Lebensgefahr berichten. Mit den Vorsichtsmaßnahmen schützten sich die Frauen untereinander, auch unter Folter keine Namen nennen und Strukturen offenlegen zu können.

Im Rahmen des schweren Programms heiterte Ezékiel Wendtoin aus Burkina Faso, ein kosmopolitischer Sänger, der in Dresden lebt, das Publikum mit seinen Rhythmen und Gesängen auf, darunter der Titel „Sage Nein“ gegen Faschismus von Konstantin Wecker, mit dem er bereits auf der Bühne stand. Dass Ministerpräsident Winfried Kretschmann Schirmherr des Preises ist, unterstreicht dessen Bedeutung für Meinungs- und Pressefreiheit. In seiner Vertretung sprach Wissenschaftsministerin Petra Olschowski (beide Grüne), die selbst früher Redakteurin der „Stuttgarter Zeitung“ war.

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