Am 1. April hätte ich die Nachricht für einen exzellenten Scherz gehalten. Zum Auftakt der Bundesgartenschau in Mannheim dagegen schwanke ich zwischen Wut und Trauer: Die Seniorinnen des AWO-Balletts Rheinau wollten, etwa mit Sombrero und Poncho als Mexikanerinnen verkleidet, zur Unterhaltung der Buga-Besucher Volkstänze aufführen. Die „Verkleidung“ wurde aber zum Skandalon und die ehrenamtliche Initiative zum Politikum.
Denn in vorauseilendem Gehorsam und Angst vor einem Aufreger war den Buga-Verantwortlichen die Idee gekommen, die Initiative der SPD-nahen Arbeiterwohlfahrt könnte „kulturell übergriffig“ sein, also ein ethnischer Mißbrauch und eine Verunglimpfung der mittelamerikanischen Bevölkerung von Mexiko. Na bravo, das nenne ich mal sensibilisiertes Bewußtsein. Verfügt die Buga in Mannheim dann auch über Toiletten für binäre Menschen, die sich nicht zwischen Damen- und Herren-WC entscheiden können, weil sie sich entweder beiden zugehörig fühlen oder keinem von beiden?
Für mich sind derlei Sensibilisierungen hysterisch. Klar kann ich ihnen intellektuell folgen, aber pragmatisch halte ich das für kontraproduktiv und führt in der Bevölkerung zu Verdruss und Abstumpfung, weil Prioritäten völlig aus dem Blick geraten. Im Alltag erlebe ich noch heute dutzendfach und quer durch die Generationen, dass Frauen von sich in der männlichen Form sprechen, z.B. „ich bin Lehrer“ oder „als Friseur kann ich ….“. Hier wäre m.E. das naheliegendste Feld, in unserer Gesellschaft einen Bewußtseinswandel herbeizuführen.
Intellektuell könnte man auch mal repräsentativ 20 Mexikaner fragen, ob sie sich verhöhnt, gedemütigt oder sonst etwas fühlen, wenn deutsche Rentnerinnen in bester Absicht südamerikanische Tänze in Poncho und mit Strohhut aufführen. Als Kind wollte ich mich im Fasching immer als Cowboy verkleiden. Mein großer Bruder sagte mir dann, woher der Name kommt, nämlich vom Kühe hüten. Und weil der „Wilde Westen“ weder ein funktionierender Rechtsstaat gewesen sei, noch die Natur gefahrfrei war, hätten die Männer, die zumeist Einwanderer oder Nachfahren von Europäern wie uns waren, Colts getragen. So hat das Verkleiden mein kulturelles Bewußtsein gefördert – und Karl May mein Interesse an indigenen Völkern geweckt.
Als Schwabe ertrage ich übrigens seit Jahrzehnten, dass unser Volksstamm wegen seines Dialekts und seiner Praktiken wie der Kehrwoche oder des Bausparvertrag-Sparens bundesweit als unbelichtet und schlicht karikiert wird. Na, und? Mein Selbstbewußtsein ist größer als dieses Hänseln und Spotten, das letztlich eine Form der Kontaktaufnahme ist. Bis über die Grenze der Geschmacklosigkeit trifft mich dagegen, wenn mein katholischer Glaube, dessen Rituale, Gebetsformeln und unsere Repräsentanten und deren Kleidung seit Jahrzehnten in den Dreck gezogen werden, um teils primitivste Gags damit zu landen und mich als gläubigen Katholiken bewusst anzugreifen.
Da höre ich keinen einzigen Fürsprecher (mehr), der solche Sakrilegien verurteilt, gar verfolgt und evtl. meine religiösen Gefühle schützen würde, wenn gespielte Prostituierte etwa im Outfit einer (halb nackten) Ordensschwester agieren, der Papst als „Tunte“ denunziert wird und Kleriker pauschal als Kinderschänder dargestellt werden. Mein Gott ist so groß, dass er von Menschen, die dermaßen mit Dreck werfen, nicht beschmutzt werden kann. Vermutlich sind diese Dreckwerfer auf einer tieferen Ebene verletzte und enttäuschte, denen im Namen der Kirche geschadet wurde. Und als Lateiner kommt es mir beim Bewerten einer „Tat“ noch immer auf die Intentio an, ist da also der Vorsatz, schaden zu wollen im Spiel; Dummheit/Achtlosigkeit oder nur heitere Freude. Darauf einen Tequila.