Die Karten für das Konzert am Freitag habe ich schon vor einem Jahr gekauft und immer wieder freute ich mich darauf allein schon beim Gedanken daran. Und als Vorbereitung hörte ich seit Monaten nur noch Udo-CDs, wenn ich überhaupt Musik hören wollte. Denn auch an meinem Ruhebedürfnis spüre ich, dass ich älter werde. Umso oppulenter war das Klang- und Schauerlebnis in der Hanns-Martin-Schleyerhalle, das mich schon beim Schlangestehen am Eingang an ein Jahrgangstreffen erinnerte, so homogen war das Besucherspektrum.
Und dann schwebte das imaginäre Flugzeug aus dem Weltall ein, setzte auf der digitalen Rollfeld-Leinwand auf und rollte schließlich in Orginalgröße virtuell vom rechten Bühnenrand vermeintlich auf die Bühne, wo eine Rolltreppe andockte, sich die Maschinentür öffnete und die Musiker herausspazierten, um an ihren Instrumenten Platz zu nehmen. Schließlich kam ein Udo aus dem Flugzeug getänzelt und dann noch einer und noch einer bis ich mir dachte: Und woran erkenne ich dann den Echten? Und da war er schon. Noch ein Tick echter als die Kopien, die sich als Showgirls entpuppten und los ging die Party.
War diese im ersten Teil noch sehr politisch geprägt, von Statements zu Bürgerkriegen, Umweltzerstörung und den Fridays-for-future-Kids, leitete der 73-jährige Nuschler im zweiten Teil mit „Cello“ nahtlos in den Partyteil über, in dem „Andrea Doria“ oder „Candy Jane“ besungen und zelebriert wurden. Die Einlage von Otto Walkes wäre m.E. nicht nötig gewesen, doch einmal mehr muss ich Udos handwerklich exzellente Musiker loben, die einen Sound in die Halle zauberten, der mir das Herz höher schlagen ließ, wenngleich die Akustik teils breiig war.
Die Bühnenschau war – natürlich – vom Feinsten, wenngleich ich es auch hier nicht so dick aufgetragen bräuchte. Mir reichen Udos Texte und Lyrik („König von Scheißegalien“, „Stark wie zwei“ und viele, viele mehr) sowie die Musik der Panikfamilie. Selbst das laszive Getanze bräuchte ich nicht ständig, dessen Dosierung dank Stehplatz in der hinteren Hälfte für mich aber gut erträglich war. Bedauert habe ich im Politik-Teil den Part mit den karrikierten Nonnen und den schwulen Bischöfen. Bestimmt haben viele Menschen in der Panik-Familie Verletzungen und Diskrimierung durch die katholische Kirche erlitten. Aber seinerseits zu verletzen, ist für Udo keine würdige Antwort.
Und dass der in Kirchenthemen Ahnungslose auch noch meint, er müsse sich zum Zölibat äußern, grenzt für mich an senilen Größenwahn. Das Gute ist dabei: Ich gerate nicht in Gefahr, den exzellenten Rock’n‘ Roller zu überhöhen. Und gut amüsiert habe ich mich in Summe doch. Danke, Udo. Mal sehen, ob ich am 30. Juni 2020 in Stuttgart wieder dabei bin. Mach’s gut, Du alter Provokateur und Motivator! „Wir ziehen in den Frieden!“