Neuerdings ein Medienstar: Der Stuttgarter Getränkehändler Hans-Peter Kastner, der keine Gebinde aus Plastik und Blech mehr verkauft ab 1. August. FOTO: FROMM

30 Prozent seines Unsatzes macht Hans-Peter Kastner mit Plastikflaschen. Seit der 41-jährige Getränkehändler vom Stadtrand Stuttgarts angekündigt hat, ab August Plastik und Dosen aus seinem Familienbetrieb zu verbannen, ist er Star in den Medien. Seinen Facebook-Eintrag, den er mit Säcken von Plastikmüll illustriert hat, hatten bis Monatsanfang mehr als 3,2 Millionen Besucher gelesen. Dabei ist seine Ankündigung riskant, weil Kunden gerne Umweltfreundlichkeit, Tierwohl etc. bejubeln und dann heimlich doch den für sie bequemsten Weg gehen.

Kastner rechnet mit bis zu fünf Prozent Umsatzverlust, weil nicht alle Kunden auf Glasalternativen wechselten. Andererseits darf er ob des Zuspruchs davon ausgehen, dass er mit diesem mutigen und konsequenten Schritt neue Kunden gewinnt. „Man kann nicht ökologisch handeln, wenn man immer betriebswirtschaftlich denkt,“ ist so ein Satz, den der Getränkehändler bei seinen zahllosen Interviews von sich gibt. Fakt ist aber auch, dass er massenhaft Entsorger bepfandeter Dosen und Plastikflaschen der Discounter ist.

Denn während offenbar viele Kunden dort billig kaufen, scheuen sie dort das Schlangestehen zur Rückgabe am Pfandautomaten und kommen lieber zu ihm. In zwölf Wochen seien so allein bei ihm 10400 Dosen und Flaschen zusammengekommen, deren Pfand er auslöst, damit vorfinanziert und Personal- und Handlingkosten hat und das ihn zudem in 52 Säcken jede Menge kostbarer Lagerfläche koste. Mehr noch: Vermehrt will er regionale Wässer, Biere und Säfte verkaufen, um damit Transportkosten und CO2-Emissionen zu senken.

Zustimmung bekommt er nicht nur von tausenden begeisterten Kunden und Zuschriften aus aller Welt, die vor allem den Umweltschutz sehen und die Plastikvermüllung der Wetmeere beklagen. Sein Branchenverband GFGH hält Kastners Entscheidung auch betriebswirtschaftlich für nachvollziehbar und stellt fest, dass immer mehr Verbraucher umdächten und gezielt Glas in Mehrwegflaschen bevorzugten. Mutig und konseqent sei Kastners Weg dennoch, weil üblicherweise Kundenwünsche obersten Primat hätten. Und: Die Getränkeindustrie, die Milliarden in Abfüllanlagen für Plastik und Dosen in Einweg investiert hat, wird auch nicht tatenlos zusehen.

Laut Deutscher Umwelthilfe hat Einwegplastik mittlerweile bundesweit einen Anteil von 52 Prozent. Pro Jahr werden demnach 16,4 Milliarden Plastikflaschen verbraucht. Das sind 1,9 Millionen Gebinde pro Stunde oder 200 pro Bürger und Jahr. Hinzu kämen 3,51 Milliarden Getränkedosen 2018. Biohändler, die auf Plastiktüten verzichten, berichten von bis zu zehn Prozent Umsatzrückgang bei Äpfeln oder Tomaten bei Einführung der Maßnahme. Das seien sie aber ihrer Marktführerschaft schuldig und mittelfristig sinke der Verlust auf fünf Prozent.

Aktuell darf man davon ausgehen, dass die Fridays-for-future-Bewegung, das Erstarken der Grünen, katastrophale Nachrichten über Klimawandel, Umweltzerstörung und Artensterben Initiativen wie der von Kastner Auftrieb verleihen. So boomt auch der verpackungsfreie Enkauf immer mehr, wo es bis vor kurzem noch hieß, aus Gründen der Hygiene und des Handlings sei das nicht möglich. Es passiert also doch auch Positives. Viel Erfolg, Herr Kastner. Ich kaufe übrigens nur Mehrwegglas, deutschen Wein bspw. ausschließlich in der Literflasche – die auch bedroht ist!

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