Fasziniert die Menschen: Pater Anselm Grün. Nur jede fünfte Anfrage für einen Vortrag kann der Benediktiner erfüllen. FOTO: FROMM

Benediktiner Anselm Grün hat in Salach 450 Zuhörer mit seinem gestalttherapeutischen Vortrag über Gefühle fasziniert. Der 73-Jährige sprach am Mittwoch in der Stauferlandhalle über „Emotionen als Kraftquelle und wie sich seelische Verletzungen heilen lassen.“ Sein Credo: Wer Gefühle verdrängt, schneidet sich von seiner Energie ab. Ich war mit dabei und habe für die Lokalzeitung NWZ darüber geschrieben. Frauen lebten länger, weil sie emotionaler sind als Männer und damit besser bei sich, so Grüns These.

Der Mönch liebt das Spiel mit den Gegensätzen, die er verbindet. Etwa wenn er sagt: „Die Tendenz zur Kontrolle und Beherrschung hat etwas aggressives.“ Und zugleich gelte: Veränderung habe etwas von fehlender Selbstliebe, weil ich der Liebenswerte erst noch werden muss. Aus diesem falschen Selbstverständnis, das beim Mangel ansetzt, komme das Optimierungsstreben. Denn es gehe nicht um Effizienz, sondern um Verwandlung, die nicht mit Veränderung zu verwechseln sei. Grün: „Verwandlung bedeutet, ich würdige meine Potentiale und werde immer mehr mich selbst.“

Veränderung bedeute dagegen, über die Orientierung im Außen ein anderer zu werden. Das seien aber völlig verschiedene Energien und Qualitäten.
Vor allem Mönche, so der Theologe, Philosoph und Betriebswirt, brauchten die Schulung des Umgangs mit ihren Emotionen. Wahrnehmen sei dabei viel wichtiger als zu bewerten, um deren Sinn und Ursache zu erkennen. Ohne Emotion könne man nicht führen, weil dann die Begeisterung fehle, die andere spüren müssen, um folgen und vertrauen zu können. Eine wichtige Ressource ist nach dem Autor von gut 300 Büchern, die in 16 Sprachen übersetzt wurden, der Ärger.

Dieser habe drei Dimensionen: Die Abgrenzung, weil ich mich über andere ärgere oder mich; der Spiegel, den mir ein anderer vorhält und in dem ich Schattenanteile von mir erkennen kann; und die Energie, die eine Veränderung möglich macht. „Moralisieren verwandelt keinen Menschen,“ ist so eine Textzeile, die der Priester wie beiläufig in seine freie, gut einstündige Rede einwebt. Wichtig sei dagegen, eigene Muster zu erkennen, warum jemand zum Beispiel jähzornig ist.

Als Therapeut frage er, wann jemand erstmals in seinem Leben so richtig zornig war. Dann erfahre er von einer totalen Grenzüberschreitung und Verletzung desjenigen, worin der Schlüssel für die Lösung liegt, nämlich den Jähzorn in Selbstschutz vor Schmerz zu verwandeln. „Der Schatz ist im Märchen und in der Bibel das Symbol für das wahre Selbst,“ sagt Grün und „die Seele ist ein bellender Hund.“ Wo die größten Probleme sind, dort liege der größte Schatz.

Neid und Eifersucht, fährt er fort, seien in der Geschwisterkonstellation systematisch angelegt, weil der Zweit- den Erstgeborenen zwangsläufig verdrängt. Ackerbauer Kain habe seinen jüngeren Bruder Abel auch deshalb erschlagen, wie das Ate Testamemt überliefert, weil der es als Schafhirte leichter hatte. Neid zeige Bedürftigkeit und könne in Dankbarkeit verwandelt werden, deren Wortstamm von Denken kommt. Neid könne produktiv bewirken, dass sich jemand anstrengt, um auch ein Ziel zu erreichen.

Im Gebet gehe es darum, die eigene Angst anzuschauen – und in Vertrauen zu verwandeln. Denn der Fromme sei achtsam und dulde den totalen Kontrollverlust, „um in Gottes Hände zu fallen.“ Gottes Segen macht nach seiner Vorstellung achtsamer. Zum Abschluss betete der Mönch mit dem Auditorium, das sich dazu in ehrfürchtiger Stille erhob. Grün hatte es mal wieder geschafft, sein Publikum zu ergreifen, was die lange Schlange am Büchertisch anschließend eindrucksvoll belegte.

2 Comments

  1. Lieber Herr Fromm,
    mit großem Interesse habe ich Ihren Bericht über den Vortrag von Pater Anselm Grün am 7.5. gelesen. Angst, die heute geschürt wird, in Vertrauen zu verwandeln, ist für unsere Gesellschaft wohl eine der wichtigsten Aufforderungen.
    Mein Leitspruch heißt: es ist wie es ist und so wie es ist, hat es seine Ordnung. Damit fahre ich mein Leben lang bereits sehr gut.
    Vielleicht sehen wir uns nach unserem Treffen beim RKW-Arbeitskreis wieder einmal.
    Herzliche Grüße aus Leonberg, Ralf Nerling

    1. Lieber Herr Nerling,
      herzlichen Dank für Ihre Zeilen. Auch ich habe Sie in bester Erinnerung, ob Ihrer positiven Haltung.
      Deshalb werden wir uns auch wiedersehen, eventuell sogar im RKW-Format. Liebe Grüße, Leo Fromm

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