Selten hat mich ein Buch so ergriffen und berührt wie „Die Schulz Story“, in der Spiegel-Redakteur Markus Feldenkirchen über den SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz schreibt, den er fast ein Jahr im Wahlkampf begleitet hat. Gerade, weil ich selbst Journalist und PR-Berater bin, faszinieren mich die Einblicke, die das Duo Schulz/Feldenkirchen hier gewähren in den innersten Wahlkampfzirkel.
Es ist aber auch eine brillante Leistung des Kollegen vom Spiegel, wie er hier zwischen Nähe und Distanz, Sympathie und Dokumentation chargiert. Deshalb ist das Buch auch eine gute Reflektion auf den „Journalismus“ an sich, zu dem er in den drei Jahrzehnten, in den ich ihn miterlebe, degeneriert ist, wie ich sagen würde. Denn unter dem Deckmantel der Leserorientierung ist er hektischer, fieser und letztlich substanzloser geworden.
Und wie der Politik mittlerweile „die Typen“ fehlen, fehlen sie den Medien auf das Ganze betrachtet ebenso. Feldenkirchen hebt sich da wohltuend ab, weil er nicht der 20. oder 120. ist, der Häme über Schulz‘ vermeintlichen Dilettantismus ausgießt, sondern GENAU HINSCHAUT, den Kontext würdigt, die Intentionen u.v.m.
Das Buch könnte Pflichtstoff werden in der Ausbildung von Volontären oder der Anlass sein, dass der Verlegerverband berufsethische Weiterbildungen für Redakteure anbietet. Vermutlich geschieht aber weiterhin nichts. Ich bin stolz und dankbar, bei dieser Wahl die SPD gewählt zu haben – trotz der Irritationen, die auch bei mir im Wahlkampf aufkamen. „Die Schulz Story“ klärt diese alle plausibel auf.
Mein Fazit: Die PR-Berater, Spindoctors und Parteifunktionäre hätten sich selbst begrenzen und Schulz‘ Authentizität erkennen sollen, mit der er zu Beginn seiner Nominierung den Hype ja auch ausgelöst hatte. Mit seiner biographisch geprägten Intuition wäre DIESER Kandidat und leidenschaftliche Europäer (!!!) erfolgreich durch den Wahlkampf gezogen.
Wenn ich solche Naturtalente und „Rampensäue“ in meiner Klientel habe, dann gebe ich einige Aspekte zu bedenken, lasse den jeweiligen Macher aber zu 90 Prozent gewähren. „Wichtig“ bin ich trotzdem, weil ich der lebende Beweis bin, dass sich der Mandant nicht selbst überschätzt und sich kritisch reflektiert. Ich muss aber nicht in jedem Detail beweisen (im Buch exemplarisch das Thema „mansche“) , wie kritisch ich hinschauen und mitdenken kann.
Auch Artisten in der Manege haben Seil und Netz, die sie in 99 Prozent aller Fälle nicht benötigen. Aber es wäre unprofessionell, diese Sicherheitsvorkehrungen nicht zu haben. Und ein Letztes: Es ehrt Schulz, auf all seine Einflüsterer wertschätzend und in Respekt vor der Parteihistorie eingegangen zu sein. Ein Gerhard Schröder, der das nicht tat, wurde aber Kanzler. Vermutlich haben wir die Politiker, die wir verdienen. Danke, Martin Schulz, für Deinen Dienst an diesem Land und dieser Partei. Du bist mir zehnmal lieber als Gerhard Schröder, den ich leider auch gewählt habe.