Bedrückende Schautafeln auf dem Killing Field in Siem Reap: Das Motiv zeigt verelendete Kambodschaner, die 1979 nach Pnom Penh zurückkehren. FOTOS: FROMM

Mein 14-tägiger Trip nach Südostasien vom 31.12. bis gestern hat mich für zwei Tage auch nach Siem Reap in Kambodscha geführt, wo ich neben den Tempelanlagen Angkor Wat aus dem 13./14. Jahrhundert und dem Dschungel auch die Killing Fields besucht habe, die die jüngere Geschichte beleuchten. Während unser Guide, ein überzeugter Demokrat, darüber sprach, rang er mit den Tränen.

Die Roten Khmer, deren Terror-Herrschaft von 1974 bis 79 währte, haben demnach die Städte aufgelöst, weil alle als Bauern auf dem Land leben sollten. Die Familien wurden getrennt, um sie zu schwächen und Brillenträger wurden als Intelektuelle verhaftet oder gleich erschossen. Die Pagoden (Grabstätten) dienten als Gefängnisse.

Unser Führer floh als Jugendlicher während seiner Deportation bei Nacht, wurde verfolgt, versteckte sich in einem Mangobaum und Rote Khmer schossen mit Maschinengewehr in sein Versteck. Zwei Stunden warteten sie und stachen in der Finsternis mit Bajonetten nach ihm. Seine Schwester sei damals verhungert und er habe gesehen, wie Menschen in Reihen knieten und per Kopfschuss nacheinander getötet und in den Fluss geworfen wurden.

Deshalb konnte man das dringend benötigte Wasser nicht mehr trinken und Seuchen brachen aus. Viele Vertrienene schliefen in dieser Zeit ohne Behausung nur unter Bäumen. Die Menschen, so die maoistische Ideologie, sollten von Sonnenaufgang- bis -untergang mit ihren Händen bei drei kleinen Mahlzeiten pro Tag arbeiten.

Wer krank wurde, bekam nur eine Mahlzeit am Tag und wer krankheitsbedingt nicht arbeitete, wurde am dritten Tag teils totgeschlagen. Unser Guide berichtete von Folter, etwa Water Boarding und Fingernägel herausziehen. Die Städte seien von Soldaten bewacht worden, damit niemand zurückkehrte. Schautafeln belegen seine Aussagen. Demnach starben zwei der damals zwölf Millionen Einwohner Kambodschas während der Terrorherrschaft – die meisten an Hunger.

Linke Schautafel: Während der Terrorherrschaft der Roten Khmer bewacht ein Soldat die Geisterstadt, aus der die Bevölkerung vertrieben wurde, vor Rückkehrern.

Heute hat das Land keine Industrie, so der Guide, damit die Kommunisten Schmiergeld für Importe und Handel erhalten. Die Jugendarbeitslosigkeit liege bei 60 Prozent und auch Schule kostet. Denn wo Geld fließt, können Parteibonzen mitkassieren. Für unseren Führer ist die Korruption offensichtlich, weil die Funktionäre weit über ihre Verhältnisse leben und viele Privilegien genießen. Und der Tourismus spült Millionen Dollar-Beträge ins Land – täglich. Denn die inflationäre Landeswährung Riel (1 Dollar sind 4400 Riel oder 420 thailändische Bath) will niemand.

30 Kilometer von den Zentren entfernt, gibt es demnach keinen Strom, kein Wasser, keine Straßen oder Schulen. Dort gibt es noch immer Hunger. Bis heute fehlt die in den 1970ern getötete Elite, die das Land entwickeln und das Volk aufklären und politisch Druck machen könnte. Mehr als 100.000 junge Kambodschaner arbeiten zudem in Vietnam oder China. Deren beide totalitären Regime paktieren mit der Landesregierung, was diese bekräftigt, mit ihrer seit drei Jahren währenden Gewaltherrschaft fortzufahren. Diese Achse verstärkt noch die Ohnmacht der Opposition.

Unser Führer riskiert mit seiner Offenheit einen Anruf der Offiziellen, keine Buchung mehr zu bekommen. Dann machte man ihn über Berufsverbot kaputt. Die Regierung will nur Tempel zeigen, aber keine politischen Einblicke gewähren oder Informationen über die Wirtschaft und das Gesellschaftssystem geben. Viele Touristen fragten dazu, bekommen aber keine Antwort, weil niemand seine kleine Existenz riskieren will. Und für die Touristen ist das unbeantwortete Thema mit ihrem Abflug dann erledigt.

Sehr bedrückt verabschiedeten wir uns am Flughafen und tauschten Visitenkarten mit dem Versprechen, den Kontakt zu halten und ihn nach Kräften zu unterstützen. Statt 70 geben wir dem Führer 100 Euro Trinkgeld zum Dank für seinen politischen Mut. Seinen Kontakt will ich an Bekannte in der Reisebranche weitergeben und weil er halbjährlich mit Kriegsversehrten arbeitet, schauen, wie ich ihm Rollstühle etc. vermitteln kann. Evtl. kann er Pflegekräfte nach Deutschland vermitteln.

Mich erinnert das Gehörte an meine Erfahrungen mit der DDR und diese Ohnmacht macht mich aggressiv auf alle Ideologien. Zum Abschied versichere ich dem Guide, dass wir Demokraten viele auf diesem Planeten sind und auch die DDR untergegangen ist – gewaltfrei.

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