Bringt es auf den Punkt: Der Bericht in der SZ vom Freitag.

Detlef Scheele hat es jüngst in der „Süddeutschen Zeitung“ auf den Punkt gebracht, woran die SPD krankt: Die Partei müsse sich mehr um die „arbeitende Mitte der Gesellschaft“ kümmern, so der Sozialdemokrat, der von 2017 bis 2022 die Bundesagentur für Arbeit geleitet hat. Stattdessen mühe sie sich seit 20 Jahren an den Rändern um soziale Gerechtigkeit.

Der 67-jährige Hamburger, der seinerzeit die Sozialreformen der rot-grünen Bundesregierung mitgetragen hat, die unter Hartz IV einerseits zum Trauma der SPD wurden und andererseits Deutschland fit machten für den globalen Wettbewerb, benennt einen zentralen Denkfehler seiner linken Genossen: Wer Hilfe vom Staat braucht, ist nicht auf Augenhöhe, sondern ein Bittsteller!

Wer das für Wortkosmetik oder unsozial hält, unterschätzt, welchen Unterschied in der Haltung dies ausmacht und welche Dynamik dahintersteckt: Einerseits geht es tatsächlich um Respekt vor den Armen, andererseits geht es um Wertschätzung und Fairness für diejenigen, die es aus eigener Kraft versuchen, eben durch Arbeiten und Verzichten, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Scheeles Herz schlägt eindeutig für Letztere. Und meines auch! Ich komme selbst aus einer kinderreichen Familie, wir hatten nur das Gehalt meines Vaters und weil er aus Thüringen stammte väterlicherseits auch keinen Besitz oder ein Erbe. Für mich war bei Studienfahrten oder ähnlichen Anlässen selbstverständlich, im Rektorat nach einem Zuschuss zu fragen – der auch immer bewilligt wurde.

Das hat mein Selbstbewußtsein geprägt und gestärkt: Statt Geld vier Geschwister zu haben und eine Mutter, die sich sozial enorm engagiert, war für mich selbstverständlich. Auch, nach dem Studium 20.000 Euro Bafög zurückzubezahlen, war für mich eine Selbstverständlichkeit. Dann verzichte ich halt auf teure Urlaube oder ein teures Auto.

Längst aber sagt die SPD, das beschäme, benachteilige und diskriminiere die Frage-/Bittsteller, weshalb alles diskret, anonym und pauschal via Sozialpolitik abgegolten werden müsse. Ich würde gerne mal mit Armen über meine Erfahrungen sprechen, z.B. Spott als Zwölfjähriger in der Sportumkleide über die verstopften Strumpfhosen meiner Schwester, die ich im Winter statt langer Unterhosen von Schießer trug. Oder dass wir (fast) nie in Urlaub fuhren, Margarine statt Butter aßen, (fast) nie Essen gingen oder in den Zirkus, ins Kino u.v.m.

Jedenfalls arbeitet sich die SPD seit 20 Jahren vor allem daran ab, „gerecht“ sein zu wollen, Hartz IV zu überwinden, mit dem Bürgergeld (und vielen anderen Leistungen) eine moderne, soziale Gesellschaft gestalten zu wollen u.v.m. Scheele rechnet in dem ganzseitigen SZ-Beitrag vor, dass die SPD damit Klientel-Politik für rund vier Prozent der Bevölkerung macht. Daraus ergibt sich für mich ein Zusammenhang zu jüngsten Wahlergebnissen für diese einstige stolze Volkspartei, die zuletzt nur noch auf Ergebnisse des Doppelten und Dreifachen dieser vier Prozent kam.

Das Gros der Gesellschaft hat nämlich andere Themen und Sorgen: Digitalisierung, Bildung, Transformation der Industriegesellschaft, Klimawandel (Hochwasser, Dürre), Wohnungsnot, marode Infrastruktur, Migration. Und ich möchte ergänzen: Der Glaube an Gerechtigkeit ist eine Illusion. Die Welt ist zutiefst ungerecht.

Wir waren zwar arm, aber mein Vater hatte 1938 Abitur gemacht und Bildung war bei uns zuhause wichtig. Auch Disziplin und Dienen (statt ver-dienen) bspw. Und wir hatten verdammtes Glück: Alle fünf Kinder kamen gesund (und intelligent) zur Welt, meine Eltern waren weder depressiv noch süchtig und blieben bis ins hohe Alter nahezu gesund, so dass niemand niemanden pflegen musste.

Geprägt durch mein christliches Elternhaus halte ich neben Solidarität auch Eigenverantwortung, Subsidiarität und Verzichtsfähigkeit (zeugt von innerer Freiheit und Stolz!) für wichtige Werte. Für mich bildet die aktuelle „Ampel“-Regierung all diese Werte ab. Die CDU in Teilen übrigens auch. Möge die Regierung also noch bis Ende 2025 halten. Mit Demut statt Ideologie könnten die Beteiligten und wir Bürger es schaffen.

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