Während die Lebensbedingungen der Menschheit seit Jahrzehnten sicht- und messbar vor die Hunde gehen dürfen, weil gefühlt nur im Zeitlupentempo reagiert wird, ist es dem Kapitalismus in komplexen Demokratien immer noch möglich, binnen 48 Stunden zu reagieren. Ob das die Bankenkrise 2009 nach der Lehmann-Pleite in den USA war oder voriges Wochenende die Übernahme der „verzockten“ Credite Suisse durch die UBS, wo die Eidgenossen noch kurz sechs Milliarden Schweizer Franken Bürgschaft obendrauf gaben.
Und in Deutschland, wo schon ein Tempolimit am Widerstand der FDP scheitert, schüren CDU und FDP Hysterie, wenn Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) den Ausstieg aus den fossilen Heizsystemen, wie er im Koalitionsvertrag vereinbart ist, wegen Rußlands Krieg in der Ukraine um ein Jahr auf 2024 vorzieht. Bewusst wird dort so getan, als ob ab nächstem Januar 23 Millionen Öl- und Gasheizungen stillgelegt werden müssten und „die Grünen“ den Kleinsparern ihr Häuschen wegnehmen wollten.
Vor gut einer Woche war ich beruflich auf der Internationalen Fachmesse ISH in Frankfurt, wo es um Sanitär, Heizung und Klima geht. Die Branche und deren Aussteller leiden unter der Hysterie, die in der Bevölkerung mutwillig ausgelöst wird, weil die FDP in ihrer Panik, aus allen Parlamenten zu fliegen, und die CDU in ihrem Ärger über die Oppositionsrolle nahezu alles tun, um gewählt zu werden. Ich hoffe, „der Schuss“ geht nach hinten los: Denn das CDU- und FDP-nahe Handwerk zahlt die Zeche, wenn dessen Monteure kaum mehr zum Arbeiten kommen, weil sie von besorgten Rentnern mit Fragen gelöchert werden und die Verwaltung, die das Tagesgeschäft organisieren muss, unter den Anrufen besorgter Bürger zusammenbricht.
Ja, Alternativen wie etwa mechatronische Wärmepumpen sind dreimal so teuer wie mechanische, fossile Lösungen. Das liegt übrigens primär am komplexen Einbau der Anlagen, nicht an deren Hardware. Sie erhöhen aber die Effizienz um das Vier- bis Fünffache. Und wenn deren Strom aus diversen Wärmequellen kommt von der Luft über die Sonne bis zu Ab- oder Erdwärme, sogenannte hybride Lösungen, dann sind sie um Längen wirtschaftlicher als Öl oder Gas, die in der Regel aus Unrechtsstaaten importiert werden, wodurch man mit deutschem Geld Diktaturen und Terrorismus finanziert.
Jüngstes Beispiel ist Rußland: Nun investiert der Westen, der Milliarden Euro in das Land seit Jahrzehnten transferiert hat, um billig Öl und Gas zu erhalten, hunderte Milliarden in seine Streitkräfte, die Unterstützung der Ukraine und hoffentlich nach erfolgreicher Verteidigung in deren Wiederaufbau. Und weitere Billionen Euro fließen in Rückhaltebecken gegen Überschwemmungen; Deiche an der Küste gegen höhere Meeresspiegel; alternative Transportsysteme, weil Flüsse wegen Niedrigwasser nicht mehr mit so viel Tonnage schiffbar sind; Hänge werden betoniert und stabilisiert gegen Erdrutsch; Bewässerungssysteme für die Landwirtschaft ersonnen und finanziert, damit überhaupt noch etwas wächst; Zerstörungen wie im Ahrtal refinanziert u.v.m.
Dagegen sind 20.000 Euro Mehrkosten je Haushalt für ein deutlich effizienteres Heizsystem ein Klacks. Vermutlich käme es „den Staat“ billiger, das jedem Haushalt zu schenken als Folgekosten wie erwähnt, Gerichtskosten gegen Einsprüche und endlose Parlamentsdebatten finanzieren zu müssen. Übrigens gehen zumindest die „Klima-Flüchtlinge“ auch in diese Finanzbetrachtung mit ein. Und deren Zahl wird noch auf Milliarden steigen, egal wie hoch inzwischen deren Kindersterblichkeit werden wird durch Mangelernährung etc.
Überhaupt diese Kostendebatte, die alternativ auch als Arbeitsplatzdebatte ins Feld geführt wird – als Totschlagskeule, die den Stillstand zementiert. Very konservative! Bzgl. Stein- und Braunkohle argumentiert so auch „gerne“ die SPD. Als ob wir mit der Natur verhandeln könnten. Und dies läuft vom Gemeinderat über den Kreistag, den Landtag bis zum Bundestag auf allen Ebenen so. Da wird noch kurz fruchtbarer Acker als Bauland für egoistische Einfamilienhäuser ausgewiesen, dort eine Umgehungsstraße zu Lasten von Streuobstwiesen genehmigt oder eine Autobahn um eine dritte oder vierte Spur erweitert. So pflastern wir im wahrsten Sinn des Wortes unseren Weg zur Hölle (von 1967 bis 2021 wurde in Deutschland so viel Fläche versiegelt wie zuvor alles insgesamt!).
Wem die energieneutrale Heizung, die teils erst in zehn oder 15 Jahren umgestellt werden muss, weil Bestandsschutz gilt, zu teuer ist, der kann jetzt entweder auf seine nächsten Urlaube verzichten und dadurch Rücklagen bilden; er kann im Haus ein Zimmer vermieten und durch diese Zusatzeinnahmen das erforderliche Kapital ansparen oder sich in der Verwandtschaft einen Investor suchen, der später ohnehin die Wohnung/das Haus erbt oder vom Erben wieder ausbezahlt wird. Mein Gott, das ist doch alles lösbar. Aber scheinbar sind eigene Parlamentssitze wichtiger als unpopuläre Wahrheiten zu kommunizieren.
Die „Klima-Kleber“ sind in Wahrheit verzweifelt, weil sie der Demokratie und deren Behäbigkeit nicht mehr vertrauen können. Wenn sich Teile davon weiter radikalisieren, gebe ich dafür auch Bremsern, Verwirrern und Nebelkerzenwerfern in der Politik, vorrangig FDP und CDU/CSU, eine Mitschuld. Ich referiere übrigens am Mittwoch, 12. April, um 20 Uhr in der Schorndorfer Paulusgemeinde über den Transfer der Industriegesellschaft Richtung CO2-Neutralität. Mein Schwerpunkt wird dort „zirkuläres Bauen“, also Kreislaufwirtschaft im Hochbau, sein. Ich freue mich über jeden Zuhörer, damit aus Panik konstruktives Handeln wird. Vermutlich werde ich dort zwangsläufig auch den Bremsern die Leviten lesen.
Ach Leo…ist ja alles ganz nett geschrieben. Doch wenn der Chinese in einem Jahr soviel Zement verbaut, wie Europa in 200 Jahren, dann kannst auch du erkennen, dass wir Deutschen nicht die Welt retten durch den Umbau von Heizungen. Ich bin ja bei dir, nicht jeder muss in einem fetten Einfamilienhaus leben, das fand ich mal erstrebenswert, mittlerweile nur noch unnütz und lästig, aber die globalen Probleme liegen wirklich wo ganz anders. Immerhin haben wir Deutschen in den letzten 30 Jahren unseren CO2 Ausstoß fast halbiert, während auch hier viele andere Länder jedes Jahr ordentlich ne Schippe oben drauf legen…
Vielleicht solltest doch mal wieder ne Reise machen und deinen Weitblick schärfen.
Viele Grüße
Ralf
Lieber Ralf, immer schön vorlaut, der Weltenbummler, der vor Typen wie Gansloser & Co. davongelaufen ist. Für mich ist das okay. Aber maße Dir bitte keine Aussage über meinen Weitblick an. Würdest Du im Fakten-Check bitte mal belegen, wo wir in 30 Jahren unseren CO2-Ausstoß halbiert haben? Viel Reduktion kommt übrigens daher, dass wir „schmutzige Industrie“ ins Ausland verlagert haben. Ein Grund, weshalb FDP und CDU immer vor zu viel Klarheit warnen. Obwohl Du sicher sehr viel Zeit hast, liest Du offenbar meine Beiträge bedauerlicherweise (immer) zu flüchtig. Oder etwas an mir nervt Dich, dass Du fast immer in Widerstand gehen musst.
Jedenfalls habe ich mehrfach erörtert, dass grundsätzlich völlig wurscht ist, was 80 Millionen Deutsche oder 320 Millionen Europäer machen. Denn global wächst in Asien, Afrika und Südamerika eine Mittelschicht von 2,6 Milliarden Menschen heran, die nun endlich anfangen SUVs zu fahren, (täglich?) Fleisch zu essen, Pools zu bauen und Flugfernreisen zu machen. Zugleich gilt für mich das Ethos, dass ich mich nicht durch Relativieren aus der Verantwortung stehlen darf, sondern an meinem Platz wirksam sein soll und muss. Diese Wirksamkeit sorgt übrigens für meine psychische Gesundheit. Sonst wäre ich tatsächlich ver-rückt, suizidal, ohn-mächtig – oder zumindest zynisch und sarkastisch. Deshalb meine Pressearbeit zu zirkulärem Bauen, meine Vorträge über Transformation der Industriegesellschaft oder meine therapeutischen Stuhlkreise und Online-Gruppen. Gute Reise, mein Lieber
Hohoho….da wirft einer Dinge in den Raum. Also erstens bin ich mal vor gar niemanden davongelaufen. Wie kommst du nur auf so einen ausgewachsenen Käse?
Und schon das Thema Widerstand. Auch dieser spiegelt sich in deinen Kommentaren…spürst wie haltlos persönlich jetzt das Ganze ist? Ich bin ja der Meinung dass wir uns ähnlicher sind, als wir es beide glauben. Rudern im gleichen Boot in verschiedene Richtungen. Du bist wirklich nicht der Einzige, der seine Sichtweise reflektiert. Auch nicht der Einzige welcher eine therapeutischen Background hat, auch nicht der Einzige, der auf Missstände aufmerksam macht. Und doch kommt es mir vor, dass du über vielen anderen Menschen erhaben bist. Aber auch das ist nur mein persönlicher Eindruck.
Auch dir wünsche ich ne schöne Zeit im schönen Schwabenland
Ralf
Quelle,Bundesumweltamt
In Deutschland konnten die Treibhausgas-Emissionen seit 1990 deutlich vermindert werden. Die in Kohlendioxid-Äquivalente umgerechneten Gesamt-Emissionen (ohne Kohlendioxid-Emissionen aus Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft) sanken bis 2021 um rund 480 Millionen Tonnen (Mio. t) oder 38,7 %.