Die Laudatoren Raupp (v.l.) und von Fritsche und die Preisträger Wenediktow (v.r.) und Vagheni auf der Bühne in Schorndorf. FOTO: FROMM

Der mit 20.000 Euro dotierte Johann-Philipp-Palm-Preis für Meinungs- und Pressefreiheit ist gestern in der Schorndorfer Stadthalle verliehen worden. Das Kuratorium der Palm-Stiftung, das den Preis seit 2002 alle zwei Jahre vergibt, würdigte den ostkongolesischen Radio- und TV-Verbund Coracon, der junge Journalisten ausbildet, sowie den im März abgesetzten Chefredakteur des russischen Radiosenders Echo Moskwy.

„Für Jaques und mich ist es heute ein guter Tag in Schorndorf, weil die Wahrscheinlichkeit gegen Null geht, dass wir wegen dieser Veranstaltung erschossen werden,“ sagte Laudatorin Judith Raupp in ihrer Begrüßung. Die Journalisten war bis vor elf Jahren Afrika-Korrespondentin der Süddeutschen. Da sie aber nicht losließ, wie es den Menschen nach ihrer Berichterstattung erging, ergriff sie die Chance als damals im Ostkongo eine Expertin gesucht wurde, die Nachwuchsjournalisten ausbildet, und kündigte bei ihrer renommierten Zeitung, um dauerhaft vor Ort mit den Einheimischen zu leben.

Initiator der Kooperative war Jacques Vagheni, ein fünffacher Vater, der im Verbund mit vier anderen Radiostationen Reporter qualifizieren wollte, die über Menschenrechtsverletzungen in ihrer Heimat berichten; informieren, wie Demokratie und ein Rechtsstaat funktionieren; oder Hygienetipps zur Gesundheitsprävention geben. In ihrer Laudatio klärte Raupp auf, dass im Ostkongo heute deshalb bis zu 20 Milizen miteinander rivalisieren und die Bevölkerung terrorisieren, weil nach dem Völkermord im benachbarten Ruanda viele Kriegsverbrecher in den Kongo geflohen seien.

Goma, wo die Journalisten ausgebildet werden, habe ein bis zwei Millionen Einwohner. So genau wisse das niemand. Und aktuell lagerten wieder Rebellen 15 Kilometer vor der Stadt, die jederzeit einfallen könnten. Diese Milizen erhöben beliebig Steuern, Abgaben und seien bestechlich, weshalb sich keine funktionierende Marktwirtschaft entwickle. Dürren und andere Naturkatastrophen kämen hinzu.

„Unsere Ausbildung macht die Volontäre zu kritischen Denkern, die sich ihrer Rechte bewusst sind, Zusammenhänge erkennen und ihr Umfeld beeinflussen,“ so die Laudatorin über die Früchte ihrer Arbeit. Weil diesen kritischen Journalismus aber niemand fördere, bekämen die Redakteure für ihre Arbeit kein Geld und lebten zudem sehr gefährlich. So müssen sie nebenbei jobben, was ihre Recherchen erschwere und mache sie anfällig für Lobby-Journalismus.

Raupp gesteht, dass sie viel gelernt habe über die vermeintliche Unverbindlichkeit der Einheimischen. So habe ein Redakteur ein Treffen versäumt, weil ihn die Polizei aufgehalten hatte und ihm sein Handy abnehmen wollte, das er zum Arbeiten aber braucht und auf das er Jahre gespart hatte. Ein anderer kam nicht, weil er Geld für seinen Bruder sammeln musste, der kurz zuvor schwer verletzt worden war und dessen Arzt nun Geld forderte, ehe er ihm hülfe.

Als Vagheni sich für den Preis bedankte, erhoben sich die knapp 200 Honoratioren aus Politik, Wirtschaft, Kirche und Kultur von ihren Plätzen, um den mutigen Mann für sein Engagement zu ehren. Ähnlich erging es Alexei Wenediktow, dem abgesetzten Chefredakteur von Echo Moskwy. Vor seiner Flucht hatte er auch im Kreml recherchiert, was ihm teils den Vorwurf der Regierungsnähe eingebracht hatte. Die Laudatio auf ihn, der nun von Deutschland aus berichtet, hielt der frühere Moskauer Botschafter Rüdiger von Fritsch.

Ursprünglich hätte der Russe zusammen mit der Ukrainischen Initiative Institute of Mass Information (IMI) ausgezeichnet werden sollen, um ein Zeichen zu setzen zwischen den aktuellen Kriegsparteien. Doch IMI, die sich für die Stärkung der Zivilgesellschaft in ihrer Heimat einsetzt, lehnte dies ab. Wenediktow zeigte dafür bei der sehr bewegenden Preisverleihung gestern in Schorndorf Verständnis.

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