Amthor referiert im Kesselhaus. Im Hintergrund hören die Politiker Christian Gehring und Christina Stumpp zu. FOTOS: FROMM

Der Rechtsruck der CDU im Osten; überproportional viele Flüchtlinge innerhalb der EU in Deutschland; die wirtschaftspolitische Haltung zu China; Fachkräftemangel in Kliniken, Pflege, Erziehung und Schulen oder Personalfragen zu Friedrich Merz und Thomas Strobl – parteipolitische Veranstaltungen bieten immer eine gute Gelegenheit, der Gesellschaft den Puls zu fühlen. Mit Philipp Amthor, MdB aus Mecklenburg-Vorpommern und einstiger Shootingstar der Union, hatte der CDU-Kreisverband Rems-Murr heute (28.10.) im Schorndorfer „Kesselhaus“ ein attraktives Zugpferd zu Gast.

Gut 80 Zuhörer, darunter auffällig viele junge Männer, aber auch Stadträte aus Waiblingen oder Backnang füllten den Nebenraum für zwei Stunden am Nachmittag. MdB Christina Stumpp war es gelungen, den knapp 30-Jährigen in die Daimler-Stadt zu holen, nachdem er tags zuvor und vormittags noch Parteiveranstaltungen in Ravensburg bedient hatte. Leider war Amthors Stimme erkältungsbedingt massiv angegriffen, wo doch das freie Wort und die geschliffene Rede seine Markenzeichen sind.

Leidenschaft und Kämpferherz waren trotz dieses Handicaps spürbar. Pointiert, angriffslustig und Fakten-basiert kritisierte der Gast, dessen Karriere 2020 durch Vorwürfe der Interessensverflechtung mit dem IT-Unternehmen Augustus Intelligence einen massiven Dämpfer erlitt, die rot-grün-gelbe Bundesregierung. „Doppelwumms und Bazooka sind nicht nur eine Infantilisierung der Sprache, sondern auch eine Mißachtung des Bürgers, der die Steuergelder aufbringt,“ krächzte der Katholik in den Saal.

Reger Andrang: Nach dem Termin lässt sich Amthor noch mit einzelnen Zuhörern fotografieren.

Oder zur Energiepolitik poltert der Prädikats-Jurist, den einst eine alleinerziehende Mutter aufzog: „Statt eine Expertenkommission einzusetzen, wünschte man sich Experten in der Regierung.“ Für die drei verbliebenen AKWs in Deutschland angesichts von vier bis sechs Monaten Lieferzeit die Brennstäbe nicht jetzt zu bestellen, sei verantwortungslos, so der Wirtschaftspolitiker, der in seinem Wahlkreis auch noch dem Kreistag angehört, „denn die bestellt man nicht einfach mal so online bei Amazon.“

„Nur gut, dass die meisten Bäcker schon im Bett waren, als Wirtschaftsminister Habeck bei Maischberger die Insolvenzwelle im Handwerk erklärte angesichts der steigenden Energiepreise,“ blieb Amthor in freier Rede und ohne einen einzigen Versprecher im Attacke-Modus vor allem gegen Habeck. Spott und Verachtung werden dagegen auch in Schorndorf spür- und hörbar, wenn er sich mit den beiden anderen Oppositionsparteien im Bundestag, Linke und AfD, befasst. Legendär sind seine auf Youtube dokumentierten Reden im Bundestag, in denen er sich mit der AfD befasst, deren Faulheit, Dummheit und Populismus er auf der Basis recherchierter Fakten belegt.

Dagegen sagt er auch, dass er sich mit Kollegen von SPD, Grünen oder FDP in der Sache zwar ordentlich fetze, auf der Beziehungsebene aber einen wertschätzenden Umgang pflege. Der wird auch in seiner Reaktion auf eine 15-jährige Covid-19-Leugnerin spürbar, die in der zweiten Fragerunde Politikern und Medien unter dem Protest anderer Zuhörer zudem Manipulation und Lüge vorgehalten hatte. Statt das Mädchen zu beschämen, verallgemeinerte Amthor ihre Frage, dass er generell eine große Verunsicherung in der Bevölkerung feststelle. Der Politiker: „Mir ist wichtig, dass jeder seine Meinung sagen kann. Aber das heißt nicht, dass ich sie teilen muss.“

Und zur Chance von Donald Trump, erneut US-Präsident zu werden, meinte der Ostdeutsche: „Wenn wir die Zwei-Prozent-Selbstverpflichtung zur Finanzierung der Nato durch Tricksereien unterschreiten, ist das Wasser auf die Mühlen der republikanischen Trump-Fans.“ Von dem 100 Milliarden-Euro-Sonderbudget für die Bundeswehr fließe knapp ein Fünftel in Form der Mehrwertsteuer in die Staatskasse zurück. Inflationsbedingt stiegen deshalb aktuell auch die Staatseinnahmen. Amthor: „Diese geschätzten Mehreinnahmen als Erfolg der Wirtschaftspolitik der Regierung zu verkaufen, ist ein Täuschungsmanöver.“

Insgesamt referierte der Gast 30 Minuten, ehe insgesamt drei Fragerunden das Publikum immer wieder einbezogen. Durch die Breite der Themenfelder konnte der Gast, der seit 2017 dem Bundestag angehört, nicht nur belegen, dass er ein leidenschaftlicher Rhetoriker ist, dem man stundenlang zuhören könnte, sondern auch ein fleißiger Fakten-Studierer und -Kenner, der seriös und plausibel Substanz vorträgt. Und doch ist der Merz-Fan clever genug, vor allem das zu referieren, was in seine Positionierung passt.

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