Reger Austausch: Florian Hoppe diskutiert mit den Teilnehmern baurechtliche Aspekte des Bauens mit Stroh. FOTO: FROMM

Gut 100 Gebäude aus Stroh haben allein die Referenten bei den 1. Bayreuther Strohballen-Bautagen seit 1995 bereits errichtet. Mehr als 100 Architekten, Bauinteressenten, Energieberater, Prüf-Ingenieure und Baustofflieferanten haben die zweitägige Fachtagung Mitte September an der Universität Bayreuth besucht. Bis aus den Niederlanden und Italien waren Teilnehmer angereist, um dem Biobaustoff mit den CO2-Bestwerten zu mehr Verwendung im Bauwesen zu verhelfen. Ich war für mehrere Redaktionen mit dabei, u.a. für das Fachportal „German Architects“.

Rund 60 Häuser hat Virko Kade mittlerweile in Österreich mit Strohballen gebaut und die Nachfrage wächst weiter. FOTO: KADE
Eine Begleitausstellung im Foyer gab wertvolle Infos zum Bauen mit Stroh.

Rund 40 Millionen Tonnen Stroh fallen laut Bauernverband jährlich in Deutschland als Nebenprodukt der Getreideernte an. Ein Erfahrungswert aus Österreich besagt, dass nur die Hälfte davon als Einstreu in der Tierhaltung, als Dünger und Erosionsschutz auf dem Feld, bedingt als Tierfutter und zunehmend als Grundstoff für Bio-Reinigungsmittel und Bio-Plastik (PLA) verwendet wird. Daneben dient Stroh als Isolierverpackung und zur Herstellung von Papier und Bio-Energie.

Als Dämmstoff im Hausbau werden Stroh und andere Pflanzenreste wie Hanf oder Schilf schon länger verwandt. Entsprechend stieg zuletzt der Preis für 100 Kilogramm Stroh von 8,20 Euro 2019 auf aktuell 10,70 Euro, so Anton Huber vom Bayerischen Bauernverband. Dass mit den großen und kleinen Strohballen mit Dichten von 140 bis 200 Kilo je Kubikmeter aber ganze Häuser mit bis zu vier Etagen gebaut werden, ist ein Trend, der seinen Ursprung in den 1980er-Jahren in holzarmen US-Bundesstaaten hat und seit den 1990er-Jahren aus Österreich, der Schweiz und Südtirol zunehmend nach Deutschland kommt, ging Strohballenbauer Virko Kade auf die jüngere Geschichte ein. Denn mit Stroh, Lehm oder Holz baut die Menschheit seit Jahrtausenden.

„Die Bauindustrie und das Effizienzdenken haben nach dem Zweiten Weltkrieg die alten Techniken verdrängt,“ sagt Kade, der zweimal jährlich fünftägige Workshops für Architekten und Bauinteressierte anbietet. Allein er hat seit 1998 rund 60 Gebäude mit Stroh errichtet, vor allem in Österreich und Südtirol, davon ein Viertel lasttragend. Damit diese Häuser genehmigt werden, darum macht sich vor allem die Bauhaus-Universität in Weimar seit Jahren verdient, die den Einsatz des Baustoffs, der CO2 bindet und regional überall verfügbar ist, wissenschaftlich untersucht und begleitet.

Dabei arbeiten die Wissenschaftler eng mit einem Architekten-Trio um Florian Hoppe zusammen, das seit Jahren mit Stroh in Verbindung mit einer Holzkonstruktion plant, baut und zunehmend die Strohballen auch lasttragend einsetzt. Mit anderen Akteuren der Branche hat Hoppe aus Weimar mittlerweile den Fachverband Strohballenbau Deutschland e.V. (FASBA) gegründet, der neben Beratung und Vernetzung vor allem die Normierung voranbringen will, damit Bauwillige leichter eine Baugenehmigung erhalten. Ziel ist es, von der kosten- und zeitintensiven Einzelfallprüfung zu Standards zu kommen, auf die sich Baubehörden berufen können.

All diese Entwicklungen hatten am Lehrstuhl für Stadt- und Raumplanung von Prof. Manfred Miosga an der Uni Bayreuth dazu geführt, dass diese ersten Fachtage initiiert wurden. Denn der Geograph wiederum hatte das „Forum 1 Punkt 5“ gegründet, das in Städten die Pariser Klimaziele erreichen will. Miosga: „2050 leben 70 Prozent der dann zehn Milliarden Weltbevölkerung in Städten.“ Aktuell ist es die Hälfte. Und so fanden sich etwa die Architektenkammern von Bayern und Thüringen, die beiden Hochschulen und der Bauernverband zusammen, diese Veranstaltung ins Leben zu rufen und damit zugleich einen Branchentreff zu initiieren, bei dem auch in den Pausen viel Vernetzung und Know-how-Transfer stattfand.

Hoppe ist zuversichtlich, bis 2024 mit der Normierung für den lasttragenden Strohballenbau soweit zu sein, dass es keiner Einzelfallgenehmigungen mehr bedarf. In der Schweiz, so Architekt Werner Schmidt aus Graubünden, der für einen Investor zuletzt 28 Wohneinheiten mit Stroh errichtet hatte, ist die Regulatorik geringer. Dort überwiegt die Haltung, Bauherr und Architekt würden schon wissen, was sie tun. In den Alpen hatte eines seiner Häuser sogar einen Lawinenabgang schadlos überstanden. Der Architekt, der als Grand Seigneur des Strohballenbaus gilt: „Im Haus hatte es nur ordentlich gerumpelt.“

Einig sind sich die Experten, dass Strohhäuser selbst in Deutschland trotz der Einzelfallgenehmigung tendenziell günstiger sind als herkömmliche Häuser. Nicht zuletzt, weil deren Baustoffpreise zuletzt massiv gestiegen waren und weite Transportwege verursachen. Hinzu kommt, dass die Häuser mit ihren bis zu 1,2 Meter dicken Stroh-Außenwänden nahezu ohne Heizung auskommen. Und: Selbst in Deutschland wächst die Expertise bei Architekten, Statikern, Zimmerleuten und Baubehörden, mit Stroh lasttragend zu bauen. Am 12./13. September 2023 finden die 2. Strohballen-Bautage in Weimar statt.

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