Gute Analyse der Zusammenhänge im Dossier der ZEIT.

Sigmund Freud spricht 1917 in seinem Buch „Eine Schwierigkeit der Psychotherapie“ von den drei Kränkungen der Menschheit. Diese seien die kosmologische Kränkung im 16. Jahrhundert durch Nikolaus Kopernikus, wonach sich die Erde um die Sonne dreht (und nicht die Erde das Zentrum ist); die biologische Kränkung im 19. Jahrhundert durch Charles Darwin, wonach der Mensch vom Affen abstammt (und nicht die Krönung der Schöpfung ist); sowie die psychologische Kränkung im 20. Jahrhundert durch Sigmund Freud, wonach das Ich zwischen „Es“ und „Über-Ich“ gefangen ist (und nicht frei für sich selbst steht).

Im 21. Jahrhundert kommt schließlich die ökologische Kränkung hinzu, dass der Mensch eben nicht unbegrenzt ist, sondern Natur und Klima ausgeliefert. Das behaupten jedenfalls Bernd Ulrich, Vize-Chefredakteur der ZEIT, und sein in Philosophie promovierter Sohn Fritz Engel in ihrem gemeinsam verfassten Dossier vom 15. Juni. In gewitzten Beispielen und in präziser Sprache sezessieren die Autoren all unsere Perversionen, mit denen wir unseren eigenen Untergang herbeiführen. So reiche es beispielsweise nicht (mehr), Schritte in die richtige Richtung zu machen. Unsere Geschwindigkeit (Zögerlichkeit) sei dabei längst Teil des Problems, weil es nicht mehr um die Mitte zwischen politisch links oder rechts gehe, sondern um die Mitte zwischen Politik (Freiheit) und Physik (Fakten).

„Die vermutete Verletzung ist eben größer als die manifeste Bedrohung. Der Mensch leidet stärker unter seiner Kränkung als unter der Krankheit der Erde,“ lauten solche Sätze, die man sich auf der Zuge zergehen lassen könnte, beschrieben die Autoren nicht, wie wir gerade das Ende unserer Existenz herbeiführen – wegen unserer ökologischen Kränkung. Vor diesem Hintergrund mutet mir persönlich der aktuelle G7-Gipfel mehr als inszenierter Show-down an, denn als wirklicher Wendepunkt.

Conclusio der Autoren: Kosmologische, biologische und psychologische Kränkung sind von außen determiniert, während die ökologische Kränkung acht Milliarden Mal selbst verursacht und damit veränderbar ist. Die Lösung, die Ulrich und Engel vorschlagen: Die biographische Kränkung durch Neugier und neues Denken relativieren. Dann muss der Einzelne, das ist nun meine Quintessenz, nicht mehr durch Konsum seine Verletzungen kompensieren, sondern kann sich in Freiheit selbst begrenzen. Auf der Südhalbkugel wäre das bspw. die Reproduktionsrate. In unseren therapeutischen Gruppen heilen wir bspw. Verletzungen, wodurch Menschen vielfach nicht nur wieder in Einklang mit sich kommen, sondern auch der Natur und Mitwelt.

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