Rüdiger Jope (Foto aus seinem jüngsten Editorial), Chefredakteur des Männermagazins Movo, hat kürzlich folgendes Erlebnis auf seiner Facebook-Seite geteilt. Ihr könnt das sehr gut gemachte Magazin, das viermal jährlich erscheint und in dem auch ich als Männer-Coach Autor bin, übrigens auch abonnieren. Und weil mich seine Erzählung auf FB in ihrer Schlichtheit sehr berührt hat, möchte ich sie hier auch mit meinen Lesern teilen.
WDR2-Sound im Ohr. Ich blicke in den Spiegel. Trotz Maske sehe ich Mohammed lächeln. Während mein syrischer Lieblingsbarbier meine grauen Reste und die kahlen Lücken aufhübscht, reden wir. Er fragt: „Geht’s gut?“ „Was macht Familie?“ Ich frage zurück. „Und euch?“ „Tochter in Gymnasium. 10. Klasse. Deutsch so schwere Sprache.“ Lacht. „Aber dankbar. Für Geschäft. Frau. Kinder. Und Frieden. So wichtig. Krieg so schlimm!“, sagts und bringt geschwind meine Augenbrauen in Form.
„Vier Millimeter. Besser aussieht als zwei“. Schon brummt der Rasierer an meinem linken Ohr. „Krieg in Ukraine so schlimm!“ Ich nicke. „Muss jetzt oft denken an mein Flucht vor 5 Jahren aus Syrien.“ Kalte Klinge am rechten Ohr. „Ein Bruder gestorben. Bombe. Krieg so schlimm!“
Mohammed schluckt. Setzt Schere und Maske ab. Er schnäuzt, wischt sich ein paar Tränen aus den Augenwinkeln. Moment der Verunsicherung. „Hey, Tränen sind o.k. Ja, der Krieg ist zum Heulen“. Der Friseur fährt sprudelnd und dankbar fort: „Andere Bruder fährt Taxi. Muss zwei Tage warten auf 20 Liter Benzin. Schiebt Auto mit Hand in lange Schlange immer weiter. Kinder keine Schule. Wenig Essen. Strom weg. Krieg so schlimm!“
WDR2-Sound im Ohr. Ich blicke in den Spiegel. Mohammed lächelt, bespiegelt mich von hinten: Und alles gut? Ich nicke, gebe ihm zwei Daumen nach oben. Ich zahle. Ein Moslem, ein Christ, zwei Männer stehen sich gegenüber. Es durchzuckt mich. „Darf ich dich mal drücken?“ Er kommt hinter der Kasse vor. Wir umarmen uns, klopfen uns auf die Schultern. Der Barbier strahlt: „Krieg so schlimm, aber so geht Frieden!“