Wahlweise brennen gigantische Wälder in Kalifornien oder Rußland oder ganze Landstriche werden von Fluten überschwemmt wie in China oder Deutschland. Und was machen die Verlage – neue Öko-Titel herausbringen, damit wir noch besser informiert sind. Nach „anders Leben“, einem Quartalsmagazin aus dem christlichen SCM-Verlag, war vorige Woche dem „Wirtschaftsjournalist“, den ich abonniert habe, das neue sogenannte Nachhaltigkeitsmagazin „NOW“ beigelegt, das die einstige Otto-Versand-Gruppe in Kooperation mit dem G&J-Verlagstitel „GEO“ herausbringt. Mit böser Zunge könnte ich sagen, so kauft sich der Shopping Mall-Betreiber ECE, der zur otto group gehört, den unabhängigen Journalismus gleich dazu.
Beide Titel sind in Hochglanz, stylisch und sehr magazinig gestaltet. Etliche weitere sind auch auf dem Markt und hinzukommt, dass auch konventionelle Medien wie „vdi Nachrichten“ oder „ZEIT“ und „Süddeutsche“ immer mehr und häufiger über Kreislaufwirtschaft, Repair-Systeme, ökologischen Landbau, CO2-neutrales Bauen und vegane Produkte berichten. An Erkenntnis fehlt es uns also nicht. Viel mehr an der Umsetzung. Denn auch diese Titel müssen in erster Linie Geld verdienen.
Das passt zu dem IKEA in Kaarst bei Düsseldorf, der 2017 für 100 Mio. Euro CO2-neutral gebaut und per e-Bus angeschlossen wurde. Dort sind Bandräume samt Musikinstrumenten für junge Leute und ein Repair-Café für Rentner untergebracht, damit sich das kommunale Leben in dem Laden abspielt. Alles nachhaltig. Im Kern geht es aber weiter darum, Möbel zu verkaufen, die niemand braucht. So ist es auch mit den Zeitschriften: Uns fehlt es doch nicht an Information über Umweltzerstörung und Alternativen, sondern dass gelebt wird, was umweltkonform wäre.
Die ECE-Center der Otto-Gruppe betreiben bspw. mehr als 100 Shopping Malls wie das Milaneo in Stuttgart, die alle nicht nachhaltig – also am Lebenszyklus orientiert – gebaut sind, z.B. aus R-Beton oder mit Eisspeicher, sondern einfach nur billig. Auch werden sie nicht effizient bewirtschaftet, dass z.B. Heizung und Klimaanlage nicht gleichzeitig laufen könnten. Denn zu Lasten der Umwelt wird gespart, um Investitionskosten zu drücken. Deshalb sind die überflüssigen Shopping Malls echte Energiefresser und deren Center-Manager haben keine andere Aufgabe als Menschen zum Kaufen und Konsumieren zu verführen, also vo Denken und Sein abzuhalten.
Statt aber dies in G&J-Titeln anzuprangern, produzieren die GEO-Redakteure, die seit 20 Jahren um ihre Jobs bangen, Gefälligkeitsjournalismus. Das NOW-Redaktionskonzept besteht darin, positive Teilaspekte aus ihrem Kontext zu lösen, dass z.B. Baumwolle in Sambia nun nachhaltig produziert werde (wer überprüft das und nach welchen Kriterien?) oder wie Online-Shopping „nachhaltig“ wird. Aber – wie bei IKEA – wird nirgendwo kommuniziert, dass niemand gar nichts mehr braucht, weil wir von allem längst zuviel haben.
Stattdessen gibt sich „Wissenschaftsjournalist“ Ranga Yogeshwar im Heft auf ZWÖLF Seiten dafür her, mit „Prof. Dr. Michael Otto“ (man beachte die akademischen Grade) über „die großen Fragen der Menschheit zu sprechen“. Als ich Yogeshwar vor gut zehn Jahren angefragt habe für einen Kunden aus der Solarbranche, hat er mit dem Hinweis abgelehnt, er mache „nichts Kommerzielles wegen seiner Glaubwürdigkeit“. Monate später traf ich ihn bei Viessmann, die in dasselbe Thema investierten wie mein Kunde. Er hätte doch sagen können, dass er bei diesem Thema bereits besetzt sei und vermutlich zehnmal soviel verdient wie mein Kunde hätte zahlen können.
Nein, ich kann und will nicht mehr sehen, wie wir verarscht werden: Bei Otto arbeiten tausende Menschen, damit Bedürfnisse geweckt werden, konsumiert, bestellt, geliefert und verbraucht wird. Und dann werden in „NOW“ 23 Mitarbeiter porträtiert, die sich im Kleinen nachhaltig verhalten, vermeintlich „Großes bewirken“ und „gemeinsam die Welt ein bisschen besser machen?“. Immerhin ist der Teaser als Frage formuliert.
Nein, ich könnte kotzen. Aber jetzt warte ich auf die Abmahnung eines Topp-Anwalts aus dem Glaspalast der „otto group“, der mir das Maul stopft. Oder kratzt das eh niemand, weil meinen Blog vielleicht 50, maximal 500 Leute lesen. G&J aber den Massenmarkt beherrscht. Gekaufte Republik Deutschland. Denen ist auch egal, wer regiert. Mir ehrlicherweise auch. Denn „die Wirtschaft“ macht ihre Politik selbst oder lässt sie machen.
Gell, Joachim Pfeiffer, Ex-wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der zufällig in meinem Wahlkreis Rems-Murr wohnt. Der kandidiert auch nicht mehr, nachdem ihm u.a. in der ZEIT im Kontext der Maskenaffäre zuviel Nähe „zur Wirtschaft“ unterstellt worden war, ohne stichhaltige Beweise vorzulegen. Für mich war und ist das – ohne Beweise – Rufmord. Im Kern wird die Behauptung aber stimmen. Nur viel intelligenter inszeniert. Eben undurchsichtiger als der Deal von „otto group“, „NOW“, G&J und der „Nachhaltigkeit“. Gute Nacht, Gekaufte Republik Deutschland.
Wer den Politikern heute noch vertraut, wird morgen verkauft und eines besseren belehrt.
Genauso ist es eben, wenn sich Konsuminstitutionen umweltfreundlich und „ grün“ präsentieren. Leo, das hast gut geschrieben.
Leider ist der schnöde Mammon und die Anhäufung ins Unermessliche für Viele das erstrebenswerte Ziel. Wie traurig…