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Mein ganzer Respekt für Rezo, seine Recherchen und seinen Mut, seine profunden Ergebnisse so konsequent und unterhaltsam vorzutragen. Ich würdige den Youtuber nun bereits zum dritten Mal in meinem Blog und bin dankbar für solch investigative Kollegen. Und doch muss es am Alter liegen, dass ich die Vehemenz seines Vortrags nicht teile. Vielleicht bin ich sogar schon so frustriert oder resigniert, dass ich von Politik gar nicht mehr mehr erwarte als sie aktuell in der Pandemie liefert. Ein Grund: Mir wären meine Zeit, meine Intelligenz und meine Gestaltungskraft zu kostbar, sie in die parlamentarische Demokratie zu investieren. Denn ein paar Dumpfbacken neutralisieren schnell meine (eine) Stimme und können viel (ehrenamtliche) Arbeit, die ich mir bspw. in Gremien gemacht hätte, über den Haufen schmeißen.

Da ist das Engagement in der eigenen Firma und jenseits der Öffentlichkeit deutlich effizienter und bequemer, weil mir dort kaum jemand hineinredet. Und weil das viele kompetente und mutige Gestalter so machen, ist viel Platz für die zweite oder gar dritte Reihe, die dabei nach vorne rückt. Früher hätten solche Leute Plakate geklebt, Flyer verteilt oder an Wahlkampfständen Präsenz gezeigt. Heute kandidieren sie selbst – und werden gewählt. Meine Analyse mag arrogant oder elitär wirken, für weitgehend zutreffend halte ich sie dennoch. Daraus folgt für mich aber auch, dass ich nicht allzu streng über diejenigen urteile, die diese Jobs machen.

Im Gegenteil. Als Repräsentanten der Demokratie, in der ich leben möchte, genießen sie meinen Respekt. Sie handeln in meinem Auftrag und stehen für die Demokratie mit all ihren Schwächen. Damit repräsentieren sie auch die Schwächen, die in der Gesellschasft vorhanden sind, zum Beispiel Käuflichkeit, Bequemlichkeit, Voreingenommenheit u.v.m. Zwar würde ich mir wünschen, dass diese „Edelsten des Volkes“ – ähnlich wie Repräsentanten der Kirche – an sich selbst höhere Maßstäbe anlegen, erwarten oder gar durchsetzen kann ich es aber nicht. Und weil Rezo insbesondere auf Wolfgang Kubicki (FDP) abzielt, den er mit seinem polternden Verhalten in der Markus Lanz-Sequenz ignorant aussehen lässt, möchte ich auf dieses Beispiel relativierend eingehen.

Kubicki ist Jurist und ein brillianter Kopf, den ich schätze. Sein ungebührliches Verhalten gegenüber der Virologin, die er permanent unterbricht, erkläre ich mir damit, dass er sich dieses Verhalten – bedauerlicherweise – antrainiert hat. Der Grund dürfte darin liegen, dass seit Jahrzehnten täglich dutzende Menschen unqualifiziert und uninformiert an ihn hinlabern. Aus eigener Erfahrung im Umgang mit Politik, sei es als Redakteur, der ganz nah dran war und ist, sei es als Berater von Politikern, weiß ich, wie unterirdisch dumm und unverschämt Politiker oftmals angesprochen werden. Da kommen keine fairen Sach- oder Verständnisfragen, sondern sofort Unterstellungen, Frechheiten und Besserwisserei. Und wenn das Parlament ein Spiegel der Gesellschaft ist, dann haben wir unterm Strich die Politiker, die wir verdienen.

Die Virologin kann ihrerseits – ungesehen im Hintergrund und jenseits der Öffentlichkeit – ihre Expertise an Politiker herantragen und tut dies vermutlich auch. So gesehen, ist nichts Schlimmes passiert, weil TV-Talks in Wahrheit ein Schauspiel sind. Das dürfte auch Rezo wissen. Ägerlich ist für mich in dieser Sequenz, dass sich Gastgeber Lanz nicht für die Virologin einsetzt und für Ruhe sorgt, sondern noch mitwitzelt. Damit setzt er den Rahmen und ist er für mich das Ärgernis an dem Einspieler. Und zur Daimler-Note sei gesagt: Die skandalisierte Dividende des Krisenjahres geht nicht nur an anonyme, geldgierige Milliardäre, denen vermeintlich alles egal sei. Diese Dividende geht auch an mich und zehntausende andere Bürger, deren Altersvorsorge in Fonds angelegt ist, die bspw. Daimler-Aktien halten. Das nennt man strukturellen Kapitalismus. Und meine Presseversorgung bei der Allianz, 1991 abgeschlossen, hat noch immer eine Garantieverzinsung von vier Prozent (!!!).

Mein Fazit: Gut, dass sich Rezo mal wieder medienwirksam zu Wort meldet. Damit sensibilisiert er uns im besten Fall für die Zusammenhänge und unsere ganz persönlichen Anteile in diesem System. Ob wir nämlich das Edle befördern oder das Primitive – Du und ich! Denn  Politiker wollen in erster Linie wieder gewählt werden. Und wenn Kompetenz, Stringenz und Wahrhaftigkeit nicht honoriert werden, dann bekommen wir Gefallsucht, Eitelkeit, Korruption, Handlungsunfähigkeit – und Dummheit.

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