Hier klicken, um den Inhalt von YouTube anzuzeigen.
Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von YouTube.

Die Fairness gebietet, nachdem ich in meinem vorletzten Post das Rezo-Video gelobt hatte, nun die Replik der FAZ-Redaktion zu publizieren, zumal der Blogger dort die FAZ massiv attackiert hatte. Und während das Rezo-Video vom 31. Mai mittlerweile bei knapp drei Millionen Klicks steht, kommt der Beitrag von FAZ-Politikredakteur Constantin von Lijnden nach drei Tagen immerhin auch schon auf 210.000 Zugriffe. Beeindruckt bin ich von der Geschwindigkeit der Reaktion, bedenkt man, dass diese verlagsseitig zunächst diskutiert und beschlossen, recherchiert und produziert werden musste.

Mein ganzer Respekt gilt Autor Constantin von Lijnden, der sich als Print-Redakteur hier auf das Medium des Videos von Rezo einlässt, also auf fremdem Terrain agiert. Damit zeigt er deutlich mehr Courage als Philipp Amthor: Jedenfalls stand 2019 seitens der CDU tagelang eine Antwort ihres jüngsten Bundestagsabgeordneten aus Mecklenburg im Raum, der sich immerhin bereits im Bundestag und in TV-Talks als eloquenter Debattenredner und schlagfertiger Interviewpartner hervorgetan hatte, der zudem noch faktenkundig war und verbindlich im Ton blieb. Vermutlich fehlte dem damals erst 25-jährigen Juristen die Zeit.

Jedenfalls leistet nach Rezo nun von Lijnden einen Beitrag dazu, dass in Deutschland endlich mal wieder über Qualitätsjournalismus debattiert wird. Beide Videos – die Antwort fällt mit 31 Minuten ein Drittel kürzer aus als Rezos Plädoyer – dienen als Lehrfilme darüber, wie Journalismus arbeitet und wirkt; welche Rechte und Pflichten er hat und wo die Grenzen zwischen Seriosität und Populismus verlaufen. Dazu hat auch „Die Anstalt“ am 2. Juni im ZDF übrigens einen wertvollen Beitrag geleistet. Diese Häufung der (Selbst-)Reflexion zeigt, dass Rezo den richtigen Zeitpunkt für das wichtige Thema der Glaubwürdigkeit der Medien gewählt hat.

Wer bis hierher gelesen hat, hat sicher bereits 20 Annahmen, Unterstellungen und Behauptungen von mir konsumiert und vermutlich als „Fakten“ akzeptiert. Dafür haben mich wiederum beide Videos sensibilisiert. Denn seit 30 Jahren bewege ich mich in dieser Medienwelt, das Texten geht mir „leicht von der Hand“ und im Hinterkopf läuft immer mein „Software-Programm“ mit, in dem ich hellhörig würde, würde ich hier justiziable Fehler begehen. Das ist Teil meiner Professionalität. Denn in der Regel nehme ich mir für diese Beiträge, mit denen ich ja kein Geld verdiene, maximal 45 Minuten Zeit, um mit meiner Community zu kommunizieren.

Der andere Teil ist meine Routine im Schreiben, Kommentieren und Wiedergeben, die gelegentlich Züge von Freihändigkeit bis hin zu Fahrlässigkeit hat. Beispiele gefällig? Im vorletzten Absatz schreibe ich: „Diese Häufung der (Selbst-)Reflexion zeigt….“, beziehe mich aber nur auf die beiden Videos und den TV-Beitrag. Bei drei Beispielen von Häufung zu sprechen, ist also angreifbar. Ebenso unterstelle ich einen Halbsatz weiter, dass die Glaubwürdigkeit der Medien „ein wichtiges Thema“ sei. Was ich weglasse, ist die Einschränkung „für mich“. Ich denke, das sind Nuancen. Aber wenn man Medien oder Personen – in diesem Fall mir – nicht gewogen ist, zählt jedes Detail.

Dass FAZ-Redakteur Constantin von Lijnden weitestgehend Rezos Strickmuster der Video-Produktion übernimmt, ehrt ihn. Doch auch er legt nicht offen, wer ihm alles geholfen hat, die Widersprüche in Rezos Video zu identifizieren. Vermutlich wurde er für diese Arbeit zwei Wochen freigestellt und vom Verlag wie üblich bezahlt. Rezo hat dagegen sein Video vermutlich ohne Bezahlung produziert, so wie ich meinen Blog schreibe – in meiner Freizeit. Einfach, weil es mich drängt, Teil der Medienwelt zu sein, wenngleich ich darin nur ein kleines Teilchen bin oder sein mag (wieder verändert sich die Aussage, ob im Indikativ oder im Konjunktiv formuliert).

Hatte Rezo bspw. Überschriften mit Fragezeichen kritisiert, weil sie suggestiv seien, kontert von Lijnden am Beispiel gezeigter Rezo-Beispiele aus seriösen Medien, dass hier die Fragezeichen in den Überschriften berechtigt seien, weil sie Fragen zu berechtigten Optionen (Spekulationen) stellten, die im Text behandelt werden, z.B. ob das Grundgesetz in Gefahr sei oder die Republik pleite gehe. Hier widerspreche ich dem FAZ-Kollegen. In meiner Ausbildung (Volontariat) waren Fragezeichen in Überschriften generell verboten. Begründung: Der Leser kauft Zeitungen, um Antworten zu bekommen. Nicht, um verwirrt zu werden. Ich habe diesen Grundsatz stets befolgt und Alternativen zum Fragezeichen gefunden. Eine andere Grundregel hieß: Mindestens fünf Vorschläge für eine passende Überschrift und davon die beste auswählen. Oder: Die Wahl der Überschrift darf solange dauern wie das Schreiben des Textes. Denn die „gute“ Überschrift „garantiert“, dass der Beitrag gelesen wird. Bald habe ich übrigens festgestellt bzw. wurde mir gesagt, dass auch der Name des Autors ein Qualitätshinweis ist – oder eben nicht.

Mein Fazit: Ich ehre Constantin von Lijnden für seinen Mut, sich im Video Rezo zu stellen und einen Beitrag für die Relevanz unseres Berufsstandes zu leisten. Dass er keine Sprecherausbildung hat, sehe ich ihm nach. Immerhin redet er im Gegensatz zu mir hochdeutsch. In Summe kommt mir der Beitrag aber doch zu betulich, zu bemüht daher. Eben nur als Reaktion eines Gekränkten statt als Mission eines Überzeugten. Das bestätigt mir sein selbstgerechter letzter Satz: „Damit ist alles gesagt!“ Eben nicht. Von ihm vielleicht. Aber er beendet in einem freien Land keine Debatten (mehr). Überzeugungskommunikatoren und Leidenschaftsdemokraten wie Rezo oder mir verbietet der Angestellte aus Frankfurt damit jedenfalls nicht den Mund.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert