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300 Frauen sitzen in der Schwäbisch Gmünder Haftanstalt Gotteszell, einem ehemaligen Dominikanerinnenkonvent, ein. Landesweit gibt es gut 6000 Inhaftierte, vor allem Männer, womit die Kapazitäten weit überfüllt sind. Mit diesen Zahlen hat Susanne Büttner ihre Zuhörer gestern Abend in der Schorndorfer Stadtkirche eingeführt. Die evangelische Gefängnispfarrerin, die in Gotteszell seit 18 Jahren arbeitet, sprach in der Veranstaltungsreihe „Kirche am Abend“. Sie sei sehr dankbar, ihren Klienten damit ein Forum geben zu können, so die Seelsorgerin in ihrer Einführung vor rund 100 Besuchern.

Etwa die Hälfte der Inhaftierten sei süchtig, so lasse sich sie dumpfe Situation besser aushalten. Büttner berichtete von einer 40-Jährigen, die seit zehn Jahren wegen Mordes in Gmünd einsitzt. Sie frage sich: „Wie kann mir Gott die Tat vergeben, wenn ich sie mir selbst nicht verzeihen kann?“ Die wegen einer Beziehungstat Verurteilte hat noch fünf Jahre und gehört laut der Pfarrerin zu einer einsichtigen Minderheit. Sie nutze die 15 Jahre für einen höheren Schulabschluss und eine Berufsausbildung, um ihrem Alltag hinter Gittern einen Sinn zu geben.

Viele Frauen sitzen aus strukturellen Gründen ein, so Büttners Gesellschaftskritik, weil ihnen in ihrer Heimat kein menschenwürdiges Leben aus eigener Kraft möglich ist: Prostituierte, Betrügerinnen, Diebinnen aller Konfessionen, die Koran oder Bibel lesen. Ohnehin sei ihre Arbeit ökumenisch, weil sie eng mit den katholischen, orthodoxen oder muslimischen Seelsorgern zusammenarbeite. Viele Insassen seien eher psychisch krank, denn kriminell, weil sie ihr Leben in Freiheit nicht ohne Hilfe auf die Reihe bekommen.

Das belegten auch die Zahlen: Viele Bagatelldelikte, zum Beispiel wiederholtes Schwarzfahren; häufig Haftstrafen als Ersatz, weil Geldbußen nicht bezahlt werden könnten etc. Die Pfarrerin: „Manche verliert haftbedingt auch noch ihren Minijob während der Haft und sinkt dann noch tiefer.“ Nur zwölf Prozent der Insassen verbüßten schwere Strafen. Zwei Drittel hätten Haftstrafen unter zwei Jahren. Hoffnung machen der Fachfrau deshalb Sozialarbeiter, die zunehmend eingesetzt würden, um Straffällige lokal bei gemeinnütziger Arbeit zu unterstützen. Diese Begleitung sei billiger als 110 Euro je Tag und Haftplatz.

„Nachgehen“, so die Theologin, sei ein wichtiger und biblischer Ansatz, der nicht nur für Straftäterinnen gelte. So klingeln die Sozialarbeiter frühs an der Hastür, holen die Betroffenen zu ihrer gemeinnützigen Arbeit ab, geben ihnen Tagesstruktur und leisten Lebenshilfe zur Selbsthilfe. Sehr berührend waren die Passagen, wo der Gmünder Gast aus Briefen inhaftierter Frauen zitierte, die teils den Tief- als Wendepunkt in ihrem Leben verstehen und sich fragen: Was hat mich befreit? Umrahmt wurde die 75-minütige Andacht von den Jazzern Eberhard Budziat (Posaune) und Joachim Scheu (Klavier). Termine 2020 sind 2. Februar („Von der Kraft des Betens“), 26. April, 21. Juni, 26. Juli, 11. Oktober und 15. November je um 19 Uhr.

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