Selbstrechtfertigung einer Vielfliegerin: Kollegin Bärbel Krauß schreibt uns (vor), wo es langgeht.

Das war mal wieder ein Glanzstück des deutschen Journalismus: Faktenreich, schonungslos, demaskierend und verdammt intellektuell, wie uns Lesern der Stuttgarter Zeitung da Autorin Bärbel Krauß am Samstag die Leviten gelesen hat. Die Berlin-Korrespondentin, die berufsbedingt seit 19 Jahren zehnmal jährlich von Berlin-Tegel nach Stuttgart pendelt, so ihre Angaben, verknüpft Greta Thunbergs Segelüberfahrt von England nach New York, wo die 16-Jährige vor der UN-Vollversammlung spricht, mit der Niederlassungs-, Berufs- und Reisefreiheit, die bedroht seien, wenn Klimaschützer bspw. das Fliegen ächten.

Respekt. Ich bin auch kreativ und auch Journalist, aber den Dreh hätte ich nicht geschafft. Mich erinnert ohnehin der ganzseitige (Meinungs-)Beitrag mehr an eine Selbstrechtfertigung nach dem Motto, Angriff ist die beste Verteidigung. Oder: Betroffene Hunde bellen. Es ist diese typisch deutsche Intellektualisierung, die ich mit meinem Abo seit Jahrzehnten finanziere.

Auf Shameplane, so das Beispiel der Kollegin, könne man mit wenigen Klicks errechnen, dass der Flug Stuttgart-Palma de Mallorca und zurück 1,2 Quadratmeter arktisches Eis schmelzen lässt und 400 Kilogramm CO2 in die Atmosphäre freisetze. In diesem Stil liefert sie Fakten um Fakten, ohne die ganze Geschichte zu erzählen.

Die ganze Geschichte nämlich wäre, dass in 200 Jahren ALLES Eis geschmolzen ist; dass wir Menschen keinen zweiten Planteten haben und weitere Fakten, die etwa Youtuber Rezo jüngst referiert hat oder ich am 30. Juli hier in meinem Blog geliefert habe, um zu begründen, warum ich die Hoffnung aufgegeben habe, dass die Menschheit ihren klimabedingten Untergang verhindert.

Bärbel Krauß bestätigt mit ihrem Text meine Befürchtung. Denn wir referieren, relativieren, rechtfertigen, erklären, begründen – und machen weiter wie bisher. Wir handeln nicht oder nur kaum und dann zu wenige von uns. Ich habe bspw. mindestens fünfmal in meinem Berufsleben den Arbeitgeber bzw. -platz gewechselt, Frau Krauß, und bin stets sofort in den Umkreis von zwei Kilometern gezogen, um Verkehr zu vermeiden, Ressourcen zu schonen – und mittags wenigstens 20 Minuten meinen privaten Rückzug zu haben. Seit 30 Jahren hebe ich nicht nur auf dem Weg zur Arbeit Müll meiner Mitbürger auf und entsorge ihn. Seit meinem 18. Lebensjahr spende ich mehrmals jährlich Blut und trage einen Organspenderausweis bei mir. Vor zwei Jahren habe ich mein Auto ersatzlos abgeschafft und mir voriges Jahr geschworen, nicht mehr zu fliegen. Aktuell erwäge ich, Vegetarier zu werden, um auch hier mein „Schuld-Risiko“ zu minimieren. All dieses Handeln verschafft mir als informiertem Menschen große innere Zufriedenheit, weil ich mich handelnd und damit mächtig erlebe.

Und wovon schreibt Kollegin Krauß? Nicht von Verantwortung, Solidarität und Selbstbegrenzung, die wichtige Bausteine der Freiheit mündiger Bürger sind, sondern von der bedrohten Demokratie durch Bevormundung. Ja, so kann man durch Aspektepickerei Fakten auch interpretieren, wenn man sich aus der Verantwortung stehlen will.

Mein Vorschlag, Frau Krauß: Bleiben Sie ab jetzt zuhause. Die Stuttgarter Zeitung soll einen Korrespondenten beauftragen, der ohnehin schon aus Berlin berichtet. Mailen, telefonieren und skypen mit der Redaktion ersetzen zudem das Reisen. Er darf gerne kritischer und unkonventioneller berichten als Sie und die meisten Ihrer Kollegen, die immer wieder dieselben Reflexe bedienen. Da braucht es dann auch keine „Vielfalt“ mehr. Als Leser würde ich mich häufiger gerne von intelligenten Sichtweisen und Aspekten überraschen und inspirieren lassen.

Warum berichtet ihr überhaupt alle über Greta? Wo sie gerade ist? Was sie sagt? Wem? Und wie sie reist? Ich persönlich brauche Greta nicht. Ich verhalter mich seit 40 Jahren so, wie sie es fordert, nämlich HANDELN. Schon der Club of Rome hat alles Wissensrelevante gesagt – und mein gesunder Menschenverstand auch. Werte waren zudem Kern meiner (christlichen) Erziehung. Ich widme mein (journalistisches) Leben vorrangig dem Ziel, das umzusetzen, was ich verstanden habe. Das nennt man Integrität. Alles andere ist Quatschen, Ablenken, Blenden. Darum rangt sich leider viel zuviel „Journalismus“. Große Teile der aktuellen Misere sind deshalb hausgemacht.

1 Comment

  1. Wolfer

    Sehr gut,
    vor allem was Meinungsmache via Bärbel Krauß angeht!
    Überflüssiges Zeugs in der STZ!
    Nicht persönlich Bärbel Krauß.

    MfG,
    W. Harr

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert