Veränderung hat viele Gesichter: Am Ende holte Pfarrerin Eisrich (vorne) nochmals alle Akteure auf die Bühne. FOTOS: FROMM

Mehr Infotainment denn Gottesdienst war die „Kirche am Abend“, die gestern um 19.30 Uhr auf dem Schorndorfer Marktplatz stattgefunden hat. Das soziapolitische Format, das Pfarrerin Dorothee Eisrich vor Jahren etabliert hat, findet üblicherweise alle zwei Monate in der Stadtkirche statt. Dieses Mal nutzte sie die Aktionsbühne, die vom Tag der Region im Rahmen der Remstal-Gartenschau noch vor dem Rathaus stand. Zuvor hatte der Waiblinger Mundart-Comedian Christoph Sonntag den Platz bespielt, auf dem ihm mehr als 1000 Zuschauer lauschten.

Nach einer Umbau-Pause und dem Teilwechsel des Publikums interviewte die Theologin, die den Spaßvogel als Pfarrerin von Waiblingen auf einem Geburtstag dort kennengelernt hatte, den SWR-Star. Dabei wurde rasch klar, dass der Gründer mehrerer Stiftungen auch über Tiefgang verfügt. So erzählte Sonntag, dass er in einem Projekt jährlich 24 Schulklassen zusammenbringt, die sich eine Woche mit den Werten der Demokratie auseinandersetzen.

„Die diskutieren dann etwa, ob man einen Entführer foltern darf, um von ihm zu erfahren, wo er sein Entführungsopfer versteckt hält, um dessen Leben zu retten,“ gab Sonntag Einblick in diese Arbeit, an deren Ende freitags immer ein Kabarettprogramm steht, in dem die Schüler die Demokratie und das Gelernte auf die Schippe nehmen, um deren Stärke zu unterstreichen. In einer zweiten Stiftung sammelt Sonntag Geld für sein Projekt in Namibia, wo er für 300 Euro je Hütte Aids-kranken Kindern und Jugendlichen ein Zuhause finanziert.

Nächster Interview-Gast, zu dem eine Sängerin überleitete, die „Silbermond“ interpretierte, war die Stuttgarter Food-Sharerin Maike Lamm. Die wissenschaftliche Angestellte der Universität erklärte das Prinzip der Lebensmittelretter, an dem sich in Stuttgart 1500 Ehrenamtliche beteiligen, die in 80 Supermärkten, Bäckereien etc. Lebensmittel abholen und an sechs Verteilstationen kostenlos bereitstellen. Ihr Apell: Mit Essen verantwortlich umgehen. Via App sind die Akteure über Angebot und Nachfrage miteinander vernetzt.

Eisrich, die am Morgen noch beim Kirchentag in Dortmund gewesen war, interviewte als dritten Gast die Stuttgarter Schülerin Charlotte von Bonin, die sich bei Fridays for Future engagiert, den wöchentlichen Schülerdemos für den Klimaschutz, die auf die Schwedin Greta Thunberg zurückgehen. Die Abiturientin versicherte, sie gehe lieber zur Schule als zu demonstrieren. Der Protest werde aber solange anhalten und stärker werden, bis die Politiker endlich die Verträge einhielten, die sie längst unterschrieben hätten.

Vierter Gast war Sven Noack, IT-Unternehmer aus Nürtingen, der mit Flüchtlingen Fußball spielt, um mit ihnen in Kontakt zu kommen, ihnen Praktika vermittelt und teils bei sich ausbildet. Ein Somalier, der 2014 nach Deutschland kam, erzählte von seinem Weg über Italien und Karlsruhe nach Nürtingen, wo er Noack kennenlernte, aktuell den Hauptschulabschluss macht und bei dem er im Herbst seine Ausbildung zum IT-Systemelektroniker startet. Mit einem Gebet beendete Dorothee Eisrich die fast 90-minütige „Kirche am Abend“, die mit Live-Musik ausklang.

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