Wie Öl ist mir im jüngsten Spiegel von voriger Woche das Interview mit Michael Jürgs heruntergegangen. Der 73-Jährige hatte seine Karriere mit 23 Jahren als Feuilletonchef beim „Abendblatt“ in München mit 300.000 Auflage begonnen als Redakteure quasi noch die Könige der Republik waren, durfte später beim „Stern“ als bundesweit auflagenstärkstem Publikumsmagazin aus dem Vollen schöpfen und war seit dem Studium mit dem späteren Kulturstaatsminister Michael Naumann befreundet. Jürgs betont, dass gute Redakteure weder Künstler sind, noch Eiferer für eine Sache. Der Korridor dazwischen ist für gewöhnlich relativ breit, erfordert aber solide Handwerker in Sachen Recherche, Schreiben und Themensetzung.
Der Wahl-Hamburger stand aber auch für meinungsfreudigen, kantigen Journalismus, der die Leser zum Nachdenken und gerne auch zum Widerspruch einlädt, idealerweise sogar zum Sichtwechsel. So musste Jürgs 1990 als Chefredakteur beim „Stern“ offenbar abdanken, weil er im Editorial nach der Wiedervereinigung gefragt hatte: „Sollen die Zonis bleiben, wo sie sind?“ Mit dieser rhetorischen Frage stand er – wie Oskar Lafontaine – quer zur Wiedervereinigungseuphorie und legte den Finger in die Wunden, dass der Westen primär nach Europa drängte als in die Wiedervereinigung und dass viele SED-Wendehälse nun in der westlichen Demokratie angekommen waren.
Was mir an dem Interview besonders gefällt, ist die brancheninterne Kritik, wonach viele Redakteure an Selbstüberschätzung leiden und ihre Position mißbrauchen statt an ihren fachlichen Defiziten (Ideen, Recherche) und charakterlichen Defiziten (Eitelkeit, Feigheit) zu arbeiten. Jürgs im Spiegel-Interview wörtlich: „Wichtig für unseren Beruf ist Handwerk, klar. Ist Neugier, klar. Leidenschaft, klar. Ganz wichtig: sich nicht vom Geruch der Macht betäuben zu lassen. Unbestechlich zu sein.“ Vor mir war deshalb nie jemand sicher und damit habe ich sicher auch zur Rechtsstaatlichkeit beigetragen. Denn Unternehmer mussten immer fürchten: Der Fromm kriegt es heraus.
Jürgs fordert, sich immer wieder die Frage zu stellen: Wofür bin ich Journalist geworden. Und er selbst gibt die Antwort, die ich teile: Weil man mit Worten die Welt verändern kann. Die größte Macht gegen alle Diktaturen sei immer das freie Wort gewesen. Letztlich muss ein Journalist deshalb auch politisch sein. Unrecht muss ihn empören, so meine Meinung. Und Beobachtung der Verhältnisse hat mich immer für Recherchen stimuliert. Letztlich arbeite ich auch als Kommunikationsberater nur so. Und potentielle Kunden müssen belegen, dass sie es wert sind, sie bekannter zu machen und ihnen Widerstände aus dem Weg zu schreiben.