Psychiater Dixon Chibanda auf einem Foto, das im Rahmen einer Ausstellung derzeit in der Schorndorfer Stadtkirche zu sehen ist. FOTO: FROMM

Rund 400 Großmütter hat Dixon Chibanda in den vergangenen elf Jahren zu einer Art Therapeutinnen ausgebildet, die auf öffentlichen Sitzbänken regelmäßige Sprechzeiten anbieten, in denen sie ihren Mitbürgern vor allem zuhören und Zeit und Zuwendung schenken. Der 51-Jährige ist gerade Mal einer von zwölf Psychiatern, die in ganz Simbabwe mit seinen gut 15 Millionen Einwohnern praktizieren.

Nachdem er in Tschechien studiert hatte und mit der Therapie der Vermögenden in der Hauptstadt Harare im Prinzip ausgesorgt gehabt hätte, engagierte sich der Arzt für die gebeutelte Bevölkerung, die durch die Willkürherrschaft von Diktator Robert Mugabe über Jahrzehnte traumatisiert und verarmt ist. Hinzu kommen familiäre Gewalt, Kriminalität, jeder sechste ist HIV-infiziert und fast jeder vierte leidet an Kufungisisa.

Der Begriff steht für Depression und bedeutet in der Landessprache, dass jemand zuviel grübelt. Hinzu kommt, dass psychische Erkrankungen in der Kultur als Tabu gelten, obwohl Suizid eine extrem häufige Todesursache in Simbabwe ist. Chibanda hat sich auf die Großmütter fokusiert, weil sie in den Familiensystemen schon immer für heilende Kräfte standen, sie Zeit haben, von Natur gute Zuhörer sind und über extrem viel Lebenserfahrung verfügen.

Ausgestattet sind die Therapeutinnen mit einem Bogen, der 14 Fragen umfasst wie etwa: Hast Du in letzter Zeit Probleme, Dich zu konzentrieren? Fehlt Dir die Kraft, für Dich oder andere zu sorgen? Denkst Du daran, Dich umzubringen? Oder: Hast Du Albträume? Wer mehrere Fragen bejaht, hat umso sicherer eine Depression, so die Diagnostik.

Mehr als 34.000 Menschen haben die Großmütter auf ihren Bänken mittlerweile überwiegend dadurch therapiert, dass sie zuhörten und die richtigen Fragen stellten. Bei Chibanda haben sie auch gelernt, keine Ratschläge zu geben, weil diese nicht hilfreich sind, sondern eigene Erfahrungen dem Gegenüber nur überstülpen würden. Die Symptome, selbstschädigendes Verhalten und Aggression generell sind seither in der Gesellschaft signifikant rückläufig.

Viele Klienten können ihren Alltag wieder bewältigen, gehen aus destruktiven Beziehungen und werden wieder belastbar. Der Erfolg ist so überzeugend, dass Chibanda und sein Team bis Ende 2018 auch in den Nachbarstaaten Malawi und Sansibar Laien ausgebildet haben, so dass deren Gesamtzahl mittlerweile bei 1000 liegen dürfte. Und auch in Liberia, wo die Ebola-Seuche wütet, nehmen die Helfer die Qualifizierungsarbeit auf.

Erfahren habe ich dies alles jüngst in der Schorndorfer Stadtkirche bei der „Kirche am Abend“, wo die Weinstädter Journalistin Isabel Stettin zu Gast war, die 2018 in Simbabwe den Arzt und die Großmütter begleitet hat. Ihren Bericht untermalte sie mit Fotos von Rainer Kwiotek, der mit ihr die Reportage für das Magazin MUT in dessen Ausgabe 03/2018 verfasst hat. Aktuell ist die Fotoausstellung in der Stadtkirche zu sehen.

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