Absolut lesens- und hörenswert: Die Biographie von Udo Lindenberg und seine Musik. FOTO: FROMM

Mit großem Gewinn habe ich kürzlich Udo Lindenbergs Biographie „Udo“ von Thomas Hüetlin gelesen – oder besser: verschlungen. Sehr einfühlsam porträtiert der Spiegel-Autor das unrunde Leben des 72-Jährigen. Beim Lesen halte ich kaum die vielen Abstürze aus, die sich der Nuschelsänger im Lauf seines Lebens immer wieder mit Alkohol und anderen Drogen angetan hat – und spüre dabei meine eigenen Phasen von Einsamkeit und Verzweiflung.

Grandios finde ich schon den Einstieg in das 345-Seiten-Werk, das eben nicht klassisch mit Geburt und Kindheit beginnt, sondern dem Tod des zehn Jahre älteren Bruders Erich 2006, der für den Deutschrocker einen zentralen Verlust darstellt. Und anders als auf Wikipedia, wo sich ein Erfolg an den anderen zu reihen scheint, skizziert Hüetlin einen Udo, der seinen Zenit überschritten hat, dem das Geld knapp wird und der vor allem nicht mit Alkohol umgehen kann.

Erich, ein erfolgloser Kunstmaler, sei aber immer Udos Vertrauter gewesen, der den Kleinen mitnimmt in die westfälische Jazzwelt, der ihn vor dem tyrannischen Vater beschützt, der den Zweiten Weltkrieg als Soldat in Griechenland erlebt hat und der nach dem Krieg lustlos den Sanitärbetrieb des Großvaters übernehmen muss und ab 17 Uhr in der Kneipe säuft, wo er auch den kleinen Udo auf dem Tisch Gedichte aufsagen lässt. Erich, so steht es im Buch, war auch später zur Stelle und hat aufgepasst, dass sich der lebenshungrige Udo nicht schon mit Anfang 20 zu Tode sauft.

Erichs Beerdigung, so der Autor, sei ein Schlüsselerlebnis in Udos Leben gewesen, sich nun zu Tode zu saufen oder endlich „etwas Großes“ zu schaffen, wofür es unverzichtbar war, mit dem Saufen aufzuhören. Udo hat sich für Letzteres entschieden und bereits auf dem Heimweg von der Beerdigung die ersten vier Zeilen für seinen späteren Mega-Hit „Stark wie zwei“ getextet. Wie das Buch überhaupt viele Hintergründe zur Entstehungsgeschichte vieler Lieder liefert, seine Beziehung zu seiner geliebten Mutter Hermine oder Einblicke gewährt in Udos Liebesleben und die „Panik-Familie“.

Spontan habe ich uns Karten gekauft für Udos Konzert im Juli in Stuttgart und mir als einziges Weihnachtsgeschenk seine Doppel-CD gewünscht und bekommen, die am 16. Dezember erschienen ist. Lieder wie „Wir zieh’n in den Frieden“ oder uralte Titel wie „Cowboy“ neu interpretiert finde ich wunderschön und gehen mir unter die Haut. Auch Udos Appell, politisch zu bleiben und nicht zu verspießern ist mir sehr wichtig. Eine solch glaubwürdige Persönlichkeit wie er tut unserer Zeit sehr, sehr gut. Danke, Udo, für die gemeinsame Zeit, Deine Texte – und den Rock ’n‘ Roll.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert