„Wir müssen unsere Verantwortung in den Herkunftsländern der Flüchtlinge wahrnehmen,“ sagt Gerd Müller. Der 62-Jährige ist Bundesentwicklungshilfeminister in zweiter Amtszeit – und CSU-Mitglied. Wohltuend hebt sich der MdB aus dem Ostallgäu vom Gepolter seiner Partei, allen voran Parteivorsitzender und Innenminister Horst Seehofer, ab. In Tutzing, in der Politischen Akademie des Freistaats Bayern, hat er nun Farbe bekannt.
„20 Prozent der Weltbevölkerung verbrauchen 80 Prozent der globalenRessourcen und verursachen zwei Drittel der Weltverschmutzung,“ zitiert ihn die Stuttgarter Zeitung in ihrer gestrigen Ausgabe. Viele Fakten, die er heute kenne, habe er vor vier Jahren so auch noch nicht gesehen, sagt Müller. Seiner Partei, die mit ihrem christlichen Wertebewusstsein argumentiert, hält er den Spiegel vor.
Statt muslimische Flüchtlinge auszugrenzen, müssten sich die reichen Europäer von ihrem „Neokolonialismus“ endlich abschwören und ein „Weltethos“ entwickeln, wie es der katholische Theologieprofessor Hans Küng seit bald 30 Jahren propagiert: „Es geht uns langfristig nur gut, wenn es den anderen auch gut geht,“ sagt der Minister, dass Egoismus und Nächstenliebe dasselbe seien.
Politik und Industrie seien für die globalen Herausforderungen nicht gerüstet. Während die einen maximal zur nächsten Wahl vorausdächten, orientierten sich die anderen an kurzfristiger Gewinnmaximierung und Dividende. Und wörtlich: „Nachhaltige Antworten für die Mobilität in den Schwellenländern haben wir nicht.“ Müller spürt man das christliche Menschenbild an, aus dem heraus er handelt statt es als Waffe zu benutzen.
In seiner Partei kommt das offenbar sehr gut an. Denn dort zweifeln viele an dem rüpelhaften Kurs, mit dem sich Seehofer und Ministerpräsident Markus Söder über die Landtagswahl im Herbst hinwegretten wollen. Die Zuhörer in Tutzing, so der Tenor, schätzen Müllers Mut zu eigenen Positionen, Klarheit in seinen Aussagen und Widerspruch zum Führungspersonal. „Wir brauchen keinen freien, sondern einen fairen Handel,“ ist so ein Spruch, den auch viele in der CSU unterschreiben, denen die Zerstörung des Kapitalismus etwa in Natur und ländlichen Strukturen längst zu weit geht.
Für Müller gehört dazu, der Näherin in Bangladesch, die aktuell fünf Doller für das Nähen einer Jeans bekommt, sechs Dollar zu zahlen. Dann wären viele Probleme vor Ort gelöst. Zum Vergleich: In München kostet diese Hose 100 Euro. Die Antwort ist deshalb klar: Ausbeutung beenden statt „Mauern gegen Milliarden von Menschen zu bauen.“ Preisgünstiger sei die menschenfreundliche Lösung zudem.