Nach der brillianten Vorstellung: Wolf Biermann (l.) signiert Davids Exemplar von Biermanns Biografie. FOTO: FROMM

Nach der Lektüre seiner bemerkenswerten Biografie war es für mich ein Muss, vorige Woche Wolf Biermann bei seinem Gastauftritt im Stuttgarter Theaterhaus zu erleben und zu ehren. Der 80-jährige Liedermacher, der seit 1965 wegen seiner systemkritischen Texte Auftritts- und Publikationsverbot in der DDR hatte und im November 1976 ausgebürgert wurde, ist für mich ein Vorbild an Tapferkeit und Redlichkeit.

Als häufiger Besucher unserer vielen DDR-Verwandten spürte ich den drückenden Atem der Diktatur dort und die Verlogenheit der sozialistischen Propaganda bereits als Kind. Mit diesem Wissen erahne ich zugleich, welchen Gefahren und Risiken sich Biermann aussetzte, der in diesem Regime und System viele Wahrheiten aussprach und andere mutige Dissidenten wie Robert Havemann demonstrativ besuchte.

Als Sohn eines Nazi-Opfers war der überzeugte Kommunist in den 1950er-Jahren von Hamburg in die DDR übergesiedelt, um sich dem Aufbau einer gerechteren Gesellschaftsordnung anzuschließen. Doch schon bald bemerkte der junge Biermann Widersprüche, die sich immer mehr zu Unterdrückung und Verlogenheit auswuchsen und pervertierten. Umso bemerkenswerter, dass er sich nicht von seinen Idealen abwandte, sondern versuchte, gegen den Widerstand der SED-Kader das Gute gesellschaftsfähig zu machen.

Seine Lieder wie „Soldat, Soldat“ oder „Ermutigung“ waren uns in den 1980er-Jahren Hymnen, mit denen auch wir als Abiturienten und Studenten die Gesellschaft ökologisch und sozial reformieren wollten. So war es mir und vielen anderen – die Vorstellung war ausverkauft – eine große Ehre, diesen ergrauten, schnauzbärtigen Barden im Theaterhaus persönlich erleben zu dürfen.

Rund 15 Stücke umfasste das Programm, das er mit seiner Ehefrau Pamela und dem in den 1970er-Jahren in der DDR gegründeten ZentralQuartett in knapp zwei Stunden bestritt. Noch immer hat der kleine Mann, der sich mit der akustischen Gitarre meist selbst begleitet, eine hohe Bühnenpräsenz und eine kraftvolle Stimme, mit der er teils dreckig-derb, teils leise-melancholisch Schmerz, Frustration und Widerstand ausdrückt.

Beim ZentralQuartett, dessen Name bereits eine Verhöhnung des SED-Zentralkomitees ausdrückt, stach vor allem Drummer Günter Baby Sommer aus Dresden hervor, dem etwa die wöchentlichen Pegida-Demos in seiner wunderschönen Heimatstadt peinlich sind. Teils entführten die vier Jazzer auf höchstem Niveau in die Welt ihrer Freestyle-Musik, während dessen sich Biermann erholen konnte.

Der grandiose Abend, den ich mit meinem Schorndorfer Nachbarn David erlebte und der unter dem Motto stand „Demokratie feiern – demokratisch wählen“, wurde dadurch gekrönt, dass Wolf am Ende im Foyer CDs und Bücher signierte. So hatten wir Gelegenheit, diesen großen Deutschen auch noch direkt zu erleben und ich musste ihm unbedingt sagen, dass er mit seiner Zivilcourage für mich ein großes Vorbild an Tapferkeit ist.

2 Comments

  1. Klaus

    Hervorragender Text über den guten alten Biermann! Das versetzt einem schon irgendwie wieder in die Zeit von damals.

    1. liveAdv000

      Danke, Klaus, für Dein Lob. Seine Biografie ist auch sehr berührend. Gruß, leo

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