Mit gut 100 Teilnehmern war der 78. Männertag der Diözese Rottenburg-Stuttgart am Wochenende im Bildungshaus Untermarchtal ausgebucht. Der Tübinger Philosoph Dr. Fabian Erhardt warnte im Plenum vor der „Verlockung des Tragischen“, ehe sich die Teilnehmer in zehn Workshops aufteilten (darunter auch meiner), die am frühen Abend und am Sonntag vor der Andacht stattfanden. Vor allem wegen der Inspirationen durch Vorträge und Referenten und wegen der Verbundenheit in der Gemeinschaft kommen die Männer aus dem gesamten Südwesten seit Jahrzehnten. Sind Einzelne bereits 30 mal da gewesen, so hatte rund ein Fünftel der Männer seine Premiere.
In seinem anspruchsvollen Vortrag, dem ein reger Dialog mit den Zuhörern folgte, plädierte der 38-jährige Philosoph für eine „nicht naive Heiterkeit“. Die Heiterkeit stehe bedauerlicherweise im Ruf, das Mangelhafte nicht zu sehen. Dagegen sei „positives Denken“ ein „übles Geschäftsmodell“, weil es das kritische Denken ausblende. Ziel müsse in der modernen Mediengesellschaft, in der ein Dauerfeuer an schlechten Nachrichten auf die Empfänger einprassele, sein, nicht „der Verlockung des Tragischen“ zu verfallen. Der Irrtum sei, die Vielzahl der negativen Fakten zu verallgemeinern.
Um angesichts der Fülle an Katastrophen nicht die eigene Ohnmacht spüren zu müssen, könne man seinen Nachrichtenkonsum einschränken. Stattdessen würden aber viele in den „Heroismus des Scheiterns“ verfallen, der schon in der Antike die Tragödie kennzeichnete: Alles Edle und Wahre hat demnach keinen Bestand in dieser Welt. In der Umkehrung, so der Philosoph, bedeute das: Nur das Gescheiterte ist das Großartige.
Entsprechend gingen Menschen, die sich nicht ausgeliefert und ohnmächtig fühlen wollen, „einen Pakt mit dem Tragischen ein.“ Denn bei jeder weiteren schlechten Nachricht können sie sich dann immer als Wissende und Bestätigte fühlen. „Diese Verstrickung, das negativ Erhabene, können wir aufkündigen, in dem wir jede schlechte Nachricht einzeln bewerten, nicht generalisieren und das Positive nicht ausblenden,“ appellierte der zweifache Vater an seine Zuhörer.
Die Komödie in der Antike habe gekennzeichnet, dass im Scheitern das Gelingen möglich ist. Deshalb erhebe sie keinen Anspruch auf Wahrheit, sondern fokussiere sich im Gelingen auf die heitere Gelassenheit. Erhardt empfiehlt, neben „Trauerarbeit“ auch „Heiterkeitsarbeit“ und „Gelassenheitsarbeit“ in den Wortschatz aufzunehmen und zu praktizieren. Die zentrale Frage sei doch: Was betrifft mich wirklich? Und im sozialen Umfeld auf die eigene Wirksamkeit zu achten. Mehr sei nicht zu tun – aber vieles zu lassen.
Dem Vortrag folgten Nachfragen und eine rege Diskussion, ehe elf Referenten ihre Workshops ankündigten, sich die Männer in diese aufteilten und dort bis zum Abendessen blieben. Den Abend bestritt die Ethno-Musiker-Gruppe „Mama BaSäDi“ aus Friedrichshafen. Mit einer Vielzahl von Instrumenten indigener Völker legte sie einen Klangteppich in den Saal, der die Zuhörer berührte und inspirierte. In der Kellerbar klang der Tag aus und vertieften die Männer Eindrücke aus ihren Workshops.
Diese wurden am Sonntagmorgen fortgesetzt, ehe eine Andacht mit Diakon Dieter Walser, dem Kopf von „Mama BaSäDi“, den Diözesantag unter dem Motto „Tun und Lassen“ beendete. Im Foyer konnten die Männer viel Infomaterial zu Seminaren und Workshops mitnehmen und erhielten Tipps, wo sie sich in ihrer Nähe einer Männergruppe anschließen können. 2024 findet der Diözesan-Männertag am 19./20. Oktober statt. Infos unter maenner@bo.drs.de