Ehrlicherweise freue ich mich seit Jahren über jede vermeintlich schlechte Nachricht aus der Wirtschaft, weil „das Wachstum“ gefühlt immer zulasten von Natur und Umwelt geht. Dabei weiß ich, dass „Wachstum“ mehr Steuereinnahmen etc. bedeutet, womit bspw. der CO2-neutrale Umbau unserer Industriegesellschaft finanziert werden kann.
Nun habe ich in der FAS vom 7. Mai genau dazu einen Beitrag gelesen: Demnach gibt es einen Zusammenhang zwischen persönlichem Wohlstand und ökologischer Verantwortlichkeit. Klar, ich muss mir die (noch) teureren Bio-Produkte leisten können. Und: Klimafreundliche Regeln für die Wirtschaft fördern Wachstum, weil sie Investitionen und Aufwand auslösen, denke man nur an die Wärmepumpen oder Stromspeicher, die produziert und installiert werden müssen, oder die zeit- und arbeitsintensive Bauschuttzweitverwertung.
Die Bertelsmann-Stiftung hat nun genau solche Zusammenhänge untersucht. Demnach sanken bundesweit die CO2-Emissionen in den vergangenen Jahren während parallel die Wirtschaft wuchs. Dabei waren auch die „importierten Emissionen“ eingerechnet, also im Ausland hergestellte (Vor-)Produkte. Demnach hat Deutschland, um eine Million Euro Wirtschaftsleistung zu erzeugen, 200 Tonnen CO2 emittiert.
Dies war ein jährlicher Rückgang um drei Prozent. Um aber die Pariser Klimaziele zu erreichen, müsste der Verschmutzungsgrad um sieben Prozent sinken, so die Analysten der Bertelsmann-Stiftung. Bei gleichbleibender CO2-Effizienz hätte sich Deutschlands Wohlstand dann aber bis 2045 auf ein Siebtel verringert. Conclusio: Je erzeugter Tonne CO2 muss deshalb deutlich mehr Wertschöpfung erzielt werden. Um das Wohlstandsniveau zu halten und 2045 parallel klimaneutral zu sein, müsste die Treibhaus-Intensität viermal so schnell schrumpfen wie bisher, bringt es Marcus Wortmann auf den Punkt, der die Studie mit verfasst hat.
Die einzige im Bundestag vertretene Partei, die m.E. nach diese Lösung verfolgt, sind die Grünen, die dafür aber aktuell mächtig gescholten, in Umfragen abgestraft und von FDP oder CDU (die AfD lasse ich wegen Populismus per se außen vor) denunziert werden. Denn diese Partei knöpft sich aktuell die beiden Sektoren Heizen und Mobilität vollumfänglich vor, um sie deutlich um CO2 zu reduzieren. Das ist zudem verantwortungsvoll, weil die EU in ihrer Taxonomie und mit ihrem Green Deal Obergrenzen und damit Ausstiegsszenarien aus fossiler Verbrennung vorgegeben hat.
Ein wichtiges Werkzeug ist dabei der CO2-Zertifikatehandel, der Umweltbelastung jährlich stärker finanziell sanktioniert und das Volumen der Zertifikate reduziert bis es 2040 gar keine mehr geben soll. Wohlgemerkt: Das geschieht nicht, um Menschen und Wirtschaftszweige zu schikanieren, sondern um das globale Überleben der Menschheit auf diesem Planeten noch möglich zu halten. Das gelingen hängt auch davon ab, wie schnell Deutschland deutlich mehr regenerativen Strom produziert, diesen speichern und verbrauchen kann und dessen Einsatz insgesamt reduziert, z.B. durch Abwärmenutzung, Eisspeicher, Smart Grits, ÖPNV u.v.m.
Die Autoren der Bertelsmann-Stiftung fordern sogar, den EU-Emissionsdeckel früher einzuführen und die Landwirtschaft als weiteren Sektor konsequenter und früher in sämtliche Strategien einzubeziehen. Aber das präventive Gejammer aus diesem Sektor hat ja auch längst begonnen. Dabei sollten wir endlich mehr Handeln statt zu konferieren, zu diskutieren und zu feilschen. Die Fakten der Natur wie Dürren, Überschwemmungen und immer größere Lücken in der Biodiversität werden uns noch ordentlich Feuer unter dem Hintern machen. Ob dann hektische Beschlüsse noch klug und fair sind, wage ich zu bezweifeln.
Aktuell sieht es eher nach Fatalismus und Tanz auf dem Vulkan aus: Nochmal richtig fett verreisen, einen SUV kaufen und ein Steak essen, bevor „die bösen Grünen“ alles verbieten wollen. Gute Nacht, zynisches Jammer-Deutschland. Ich kenne so viele positive Beispiele, in denen sich Firmen schon längst CO2-neutral gemacht haben, prosperieren (weil sie sich von den steigenden Energiekosten entkoppelt haben), genügend Personal haben (weil Menschen gerne in innovativen Firmen arbeiten) und rezyklierbare, demontierbare, CO2-neutrale Produkte haben, die man ihnen regelrecht „aus der Hand reißt“: Das Wachstum ist programmiert.