Obwohl Fraktionsvorsitzender im Landtag von Baden-Württemberg, hat sich der Ehinger CDU-Mann Manuel Hagel bei seinem Besuch im Rems-Murr-Kreis gestern Abend vor allem die Politik der „Ampel“-Regierung vorgeknöpft. Kein Wunder, koaliert die Union im Südwesten ja selbst mit den Grünen, während sie im Bund seit 2021 die größte Oppositionsfraktion stellt. Immerhin: Der 34-Jährige schaffte es, auf diesem schmalen Grad virtuos zu unterhalten, zu informieren und zu überzeugen. Dabei machte der gelernte Bankkaufmann, der nach 2016 auch 2021 mit dem besten Ergebnis aller Abgeordneten sein Direktmandat errang, vor allem die DNA der CDU deutlich sichtbar, die für Humanität, Leistungswille und soziale Gerechtigkeit steht.
„Bis die Bundesregierung ins Handeln kommt, sind die Bäcker bereits pleite,“ begrüßte MdB und Vize-Generalsekretärin Christina Stumpp den „lieben Manuel“ in ihrem Wahlkreis. Den Abend vor 100 Besuchern im Weingut Klopfer in Großheppach moderierte Kreisvorsitzender Siegfried Lorek, selbst Mitglied des Landtags und als Staatssekretär im Innenministerium unter anderem zuständig für Migration.
„Sorry, dass ich zu spät komme, aber die Verkehrsinfrastruktur im Ländle trägt seit zwölf Jahren die Handschrift des Grünen Ministers Winfried Hermann,“ setzte Hagel gleich in der ersten Minute den Ton, um 60 Sekunden später nachzulegen: „Ich könnte euch jetzt erzählen, welche Debatten wir zuletzt im Landtag um Winnetou und Karl May geführt haben wegen kultureller Aneignung. Aber ich verspreche euch: Meine beiden Söhne gehen auch künftig noch als Indianer auf den Fasching.“
Aber schon hier biegen Lorek und Hagel in Richtung FDP ab, deren Fraktionsvorsitzenden im Landtag, Ulrich Rülke, sie persönlich attackieren. Das „schräge Familienbild“ des promovierten Gymnasiallehrers „entlarve“ sich, wenn er dem zweifachen Familienvater Hagel in einer Landtagsdebatte vorwerfe: „Du hast wohl zu viel mit deinen Kindern im Sandkasten gespielt“ und auch auf spätere Nachfrage sich für diese Entgleisung nicht entschuldigt, sondern darauf beharrt habe.
Hagel will auf Dauer dennoch lieber mit der FDP in Land und Bund koalieren, „weil die mit ihrem Welt- und Menschenbild besser zu uns passen.“ Denn während sich Teile der Klimaaktivisten radikalisierten, die Straßen blockieren und Kunstwerke beschädigen, um sich Gehör zu verschaffen, rechtfertigten und beschönigten Teile der Grünen solche Straftaten. Dagegen lobt Lorek das Verdienst des Oberschwaben, die CDU-Landtagsfraktionen seit seinem Antritt als Fraktionsvorsitzender vor 1,5 Jahren wieder geeint zu haben.
Der Gelobte unter dem Applaus der Zuhörer, die bei Viertele und Käsebrot lauschten: „42 Mitglieder stehen für die Vielfalt, die wir in unserer Gesellschaft abbilden wollen.“ Aber nur, wer sich einigen könne, sei auch legitimiert, das Land zu führen. Entscheidend sei: „Lieber weniger versprechen und das Versprochene halten.“ Nun, nach 15 Minuten Rede, bei der der Kreisvorsitzende in einer Art Interview die Stichworte liefert, legt der Gast sein Jackett ab, krempelt die Ärmel hoch und bilanziert: „Linke Regierungen starten immer mit viel Euphorie und enden im sozialen und wirtschaftlichen Chaos.“
Das Bürgergeld, das die Union mit ihrer knappen Mehrheit im Bundesrat noch modifizieren könne, schwäche den Anreiz unterer Lohngruppen, sich um Arbeit und damit Leistung zu bemühen. Dabei verkenne „die Linke“, dass Arbeit auch etwas mit Selbstwert und Teilhabe an der Gesellschaft zu tun habe. Und dann kommt das FDP-Bashing wieder: Aber die Liberalen trügen das mit. Von ihnen seien auch der „hirnrissige Tankrabatt, der im Ölkartell verpufft“ gekommen und bei Digitalisierung und Schuldenbremse scheiterten sie auch. Und Lorek schiebt nach: Beim ÖPNV, Stichwort 49-Euro-Ticket, werde der ländliche Raum abgehängt und auch dieses Ressort verantworte die FDP.
Nach 25 kurzweiligen Minuten holt das Duo die neu gewählte Bundestagsabgeordnete Christina Stumpp in ihrer grünen Bluse mit nach vorn, die die gute Stimmung in der verglasten Halle nutzt: „Wir sind noch immer dabei, uns für 16 Jahre Regierungsverantwortung zu rechtfertigen, statt wieder in die Offensive zu kommen.“ Dazu gehöre, die verbliebenen drei AKWs mindestens bis Ende 2024 laufen zu lassen. Und Hagel setzt einen Drauf, ehe das Finale der AfD gilt: „Statt sich um Arbeiterschaft und Kleinstrentner zu kümmern, legalisieren Karl Lauterbach und die SPD Cannabis.“
Still wird es im Saal als Hagel rekapituliert, dass die AfD bei der Niedersachsen-Wahl ihr Ergebnis verdoppelt hat. Eine Debatte über „Sozialtourismus“ müsse deshalb erlaubt sein und er wünsche sich, dass der Parteivorsitzende Friedrich Merz „dann auch stehenbleibt und die Diskussion aushält.“ Millionen Menschen weltweit seien aktuell nach Deutschland unterwegs und er könne diese Personen verstehen: „Aber wer dazu Fragen hat in unserem Land, ist auch in der CDU willkommen und darüber müssen wir reden.“
Und auch hier ergänzt der Staatssekretär für Migration: 155.000 Flüchtlinge seien dieses Jahr bislang nach Baden-Württemberg gekommen. Täglich würden es aktuell 250 mehr, von denen ein Fünftel Ukrainerinnen mit ihren Kindern sind. Zum Vergleich: 2015 seien im gesamten Jahr 101.000 Flüchtlinge in den Südwesten gekommen. Lorek: „Und aktuell steigen alle Zahlen massiv.“ Auch sei das Mißverhältnis etwa zwischen Deutschland und Frankreich extrem. Statt bspw. eines „generellen Chancenaufenthaltsrechts“ nach fünf Jahren, müsse individuell das Engagement des einzelnen Migranten geprüft werden, sich hier zu integrieren und zu arbeiten. Sein Schlusswort unter großem Applaus: „Wir dürfen kein Konjunkturprogramm für die AfD auflegen.“