Darauf hatte ich eigentlich schon gewartet: Rezo nimmt sich der „Arbeit“ der Medien an. An Pfingstsonntag, dem Fest des Heiligen Geistes (!), war es so weit – sein einstündiges Video ging online, das zur Stunde bereits mehr als 1,4 Millionen Besucher angesehen haben. Darin legt er die Arbeitsweise und Prinzipien vieler Medien und Redakteure offen, die gezielt desinformieren, manipulieren, inszenieren und skandalisieren. Seine These: All diese Machenschaften beschädigen in Summe die Glaubwürdigkeit von Print- und TV-Medien, so dass auch harte Fakten wie der Klimawandel in Zweifel gezogen werden.
Am Beispiel des Virologen Christian Drosten, dessen Glaubwürdigkeit die BILD jüngst massiv beschädigt hat, oder auch der Berichterstattung über ihn selbst in FAZ, WELT oder BILD macht er kenntnisreich den Faktencheck und kommt zu eklatanten Fehlleistungen und Verdrehungen bis hin zu Lügen. Dabei deckt er die Tricksererein auf, die auch unter vermeintlich seriösen Journalisten beliebt sind, wenn einer zu faul, zu wenig kreativ ist, ihm die Zeit fehlt oder die Fakten seine These nicht belegen: Dann werden rhetorische Fragen gestellt, im Konjunktiv formuliert oder ominöse Quellen bemüht, wie z.B. „die Bundesbürger meinen mehrheitlich“ oder „in der Branche heißt es“.
Dabei geht Rezo fair und sachkundig vor, weil er etwa nicht generalisiert, sondern durchgängig differenziert und alle Aussagen mit Fakten belegt. Denn im Fall einer brisanten Recherche kann es gerechtfertigt sein, eine Quelle zu schützen. Nicht aber, wenn man damit verschleiert, gar keine Quelle zu haben, zumindest keine seriöse, und deshalb mit solchen Tricks an der Grenze der Legalität des Presserechts Stimmung macht und Meinung als Tatsache „verkauft“. Als Journalist schäme ich mich für meinen Berufsstand schon lange in weiten Teilen. Und Rezo liefert hierfür eine fundierte Begründung.
Wenn ich überhaupt Kritk an ihm üben möchte, dann eher daran, dass er nicht auch die Ursachen oder zumindest den „Brand“-Beschleuniger dieser Entwicklung benennt: Der Druck um Auflage, Klicks, Anzeigen, Aufmerksamkeit und Relevanz, der mit dem Aufkommen der privaten TV- und sozialen Medien exorbitant zugenommen hat. Ich habe diese Entwicklung als Beteiligter seit 1990 hautnah miterlebt. Bis dahin gab es sehr viel biederen, bräsigen, langweiligen und elitären Journalismus – mit sicher weniger Fehlern, aber auch wenig Brisanz. Auch galten noch viele Tabus oder positiv: Es gab einen ethischen Konsens und eine Berufsehre, die allenfalls die „Kollegen“ von der BILD auch damals schon brachen.
Um es konkret zu machen: Es hatte nicht mehr nur zu interessieren, was ein Politiker oder Sportprofi in seinem Kerngeschäft macht, sondern auch sein Privatleben rückte mehr in den Blick. Zudem wurden die Zeiten schneller (Aktualität), Berichte mussten kürzer werden (Leserfreundlichkeit) u.v.m. Da musste man sein Handwerk schon sehr gut beherrschen und sich permanent weiterentwickeln, um die Qualitätskriterien noch (halbwegs) zu erfüllen. Und dabei stellte ich fest, dass viele Kollegen eben – ähnlich wie Lehrer oder andere Berufsstände – ihr Handwerk eben nur sehr bedingt beherrschen – und daran auch nichts ändern wollten. Und außerdem musste man, um halbwegs erfolgreich zu sein, dem Geschmack „der Leser“ folgen. Und der ist in vielen Fällen eben leider auch sehr limitiert. Auch fehlen vielen Lesern die Allgemeinbildung und die Konzentrationsfähigkeit, relevanten Journalismus zu goutieren.
Für mich waren das zentrale Gründe, mich als PR-Berater selbstständig zu machen, um aus diesem unguten System, das schon immer einen Hang zur Selbstüberschätzung hatte (vor allem die mäßig guten Kollegen), auszusteigen. Fortan musste ich mich von Firmen bezahlen lassen. Dass dies aber nach ethischen Prinzipien möglich ist, sich also nicht kaufen zu lassen, sondern unabhängiger Journalist zu bleiben, ging und geht in viele Redakteursköpfe nicht hinein. Das sagt viel mehr über sie sebst als über mich. Und ebenso ergeht es Rezo, der sich nach der CDU nun mit den Medien angelegt hat: Die Betroffenen glauben ihm nicht, dass es ihm um die Mißstände geht. Sie wollen ihn mundtot machen, in dem sie ihn als käuflich und gesteuert diskreditieren, statt sich mit seiner Kritik auseinanderzusetzen. Vermutlich sind sie selbst käuflich (faul und bequem) und schließen von sich auf andere.
Als katholischer Theologe sage ich: Das war alles schon da und Geschichte wiederholt sich (bis wir den Planeten mit unserer Gier zerstört haben). Martin Luther wollte in aller Demut und theologischer Klugheit vor 500 Jahren die verrottete Kirche reformieren. Statt dessen wurde er verfolgt, diskreditiert, exkommuniziert u.v.m. Für mich ist Rezo ein moderner Luther, für den ich dankbar bin. Ein Grund mehr, nicht zu resignieren und auch meinerseits „die Stellung zu halten“. Aber ehrlich: Die Schmerzen in dieser Einsamkeit und in diesem Kugelhagel sind groß.