Mit dem 2017 angekündigten Forschungsprojekt WindNODE hat Lidl beim EHI-Energiemanagement-Award den ersten Platz belegt. Bis zu 62 Millionen Kilowattstunden überschüssigen Strom aus Windkraft an Nord- und Ostsee wollen die Neckarsulmer in ihren dortigen Filialen und Lägern für Schwachlastzeiten speichern. Die Realisierung hat begonnen. Was bremse, sei der Fachkräftemangel. Am Kongress habe ich als Wirttschaftsjournalist teilgenommen, der darüber für diverse Titel schreibt und Vorträge hält.
Gewürdigt wurde die Gesamtstrategie, die Wolf Tiedemann vorstellte. „Wir nehmen die gesamte Prozesskette in den Blick von den Lieferanten über die Produkte bis zu den 1,3 Milliarden Kunden, die uns jährlich besuchen,“ sagte das Mitglied der Geschäftsleitung der Lidl Dienstleistung GmbH & Co. KG, das zuvor den Brief seiner Kinder vorgelesen hatte, mit dem diese in der heimischen Nachbarschaft für Umweltschutz geworben hatten.
Denn Tiedemann machte angesichts der hohen Komplexität der Thematik mit tausenden technischen, rechtlichen oder betriebswirtschaftlichen Aspekten auch klar, dass kein Unternehmen die Energiewende ohne emotionale Beteiligung werde meistern können. So brauche der Controller Kennziffern über ökologische Auswirkungen seines Handelns. „Die Prozesse zur Analyse der Investiturdifferenz von 0,5 Prozent des Umsatzes beschäftigen ganze Stäbe im Unternehmen,“ machte der Familienvater ein Beispiel. Die Energiekosten, die mit einem Prozent des Umsatzes doppelt so hoch liegen, würden dagegen stiefmütterlich behandelt.
„Der Hebel im Energiebereich ist inzwischen deutlich größer als in allen anderen Bereichen,“ leitete der Chef des Facility Managements zu seinen Praxisbeispielen über. Demnach brauchen neue Läger 1000 Tonnen CO2 weniger pro Jahr als alte, obwohl sie größer sind. Grundwasser wird etwa zur Kühlung eingesetzt und Betonkernplatten speichern Wärme. Der Rezyklatanteil bei Plastikflaschen liege im Sortiment mittlerweile bei 60 bis 100 Prozent und Ziel sei es, alle Kreisläufe zu schließen.
„Wertstoffe muss man wertschätzen. Wir müssen unsere Sprache sensibilisieren und zum Umweltschutz eine persönliche Meinung haben,“ postulierte Tiedemann, dass es um eine neue Haltung gehe. Mit diesem Willen seien bei Lidl in 100 Tagen in 1900 Filialen 400.000 Leuchtstoffröhren auf LED umgerüstet worden, was 31.000 Tonnen CO2 spare, weil 76 Mio. kWh Strom nicht mehr benötigt werden. Zehn Millionen Euro habe er dafür ausgegeben, um 13 Millionen Euro pro Jahr bei den Energiekosten einzusparen. Der Manager: „Solch eine Investition müssen Sie nicht lange abstimmen – einfach machen.“
Auch in der Kommunikation wandele sich sein Unternehmen. Zwar sei man noch nicht so weit wie etwa Ikea, „aber wir kommen dahin, weil wir es nur gemeinsam schaffen.“ So werde der Wandel durch den Fachkräftemangel zusätzlich dadurch gebremst, dass fünf, sechs Unternehmen parallel forschten und eigene Systeme kreierten, etwa bei der e-Mobilität, statt gemeinsame Standards zu setzen, wobei Tiedemann seinen Aldi Süd-Kollegen im Plenum anblickte.
Bei WindNODE, wo Lidl-Gebäude in Nordostdeutschland überschüssigen Strom aus dem öffentlichen Netz puffern, hätten Versuche ergeben, dass Filialen bis zu fünf Stunden autonom betrieben werden können. Partner hierbei seien Siemens und der Betreiber Netze Berlin, mit denen eine gemeinsame Plattform Anfang November an den Start ging. Gespeichert wird etwa mit alten Autobatterien oder indem die Kühlläger von den üblichen minus 18 Grad auf minus 30 Grad heruntergekühlt werden, was allerdings die Kältetechniker vor neue Herausforderungen stellt.
Tiedemanns Fazit: „Wenn wir es mit der Klimawende ernst meinen, müssen wir all diese Potentiale jetzt nutzen.“ Und Moderator Benjamin Chini, der den Kongress organisiert, merkte an: „Sie wecken mit ihrer Präsenz Erwartungen.“ Und tatsächlich: Kaum vom Podium wurde der Lidl-Mann vielfach angesprochen.