Ein geradezu spirituelles Erlebnis, das dank rund sieben Zugaben knapp 3,5 Stunden dauerte, war das Konzert von Konstantin Wecker diesen Freitag im Münchner Zirkus Krone. Unter dem Motto „Poesie und Widerstand“ spielte der seit Juni 70-Jährige, begleitet von einer grandiosen Band samt Streichern, viele seiner Lieder, die gleichermaßen von Liebe wie Trotz und eben Widerstand künden.
Dazwischen rezitierte der große Entertainer mit der noch immer so fulminanten Stimme Passagen aus seiner jüngst erschienen Biographie und streute höchst lyrische Gedichte ein, die er in den vergangenen Jahrzehnten verfasst hat, und die an Aussagekraft und Intensität in ihrer Schlichtheit seither eher gewonnen haben. Eben genau das macht den Meister aus, der in kleinen Verhältnissen in München geboren wurde.
Besonders berührt haben mich seine Erzählungen über seinen Vater, der als Maler und (Opern-)Sänger wenig erfolgreich war. Der Vorteil für den Sohn: Der Vater war mangels Engagements viel zu Hause und konnte schon früh die Musikalität und pazifistische Gesinnung des Filius‘ fördern. Im „klassischen Sinne“, so Wecker, sei sein Vater „ein Loser“ gewesen. Vermutlich rühre seine Sympathie für die vermeintlich Schwachen daher, so der Musiker. Die „Verlierer“ seien vermutlich einfach „nicht brutal genug“, sich ihren Anteil am Kuchen zu holen, so seine Interpretation.
Außer „Willy“ fehlt vor gut 2000 Besuchern im intimen Rund der Zirkuskuppel kaum ein Hit des Utopisten, der durch und durch pazifistisch-anarchistisch denkt und singt. Und gerne lasse ich mich auf seine Vision einer friedvollenWelt ein, für die er mit seinen Liedern, Statements und Konzerten, die mich atmosphärisch an Kirchentage erinnern, ja auch Wichtiges leistet. Und doch sehe ich manches differenzierter, nicht zuletzt, weil auch ich nicht mehr 24, sondern 54 bin.
In Summe geht es mir aber wie vielen im Publikum, durch deren dicht gestuhlte Reihen er am Ende, Friedenslieder singend, geht: Ich habe den Eindruck, seine Texte hat er für mich geschrieben. Und mit seinen unentwegten Botschaften und Appellen, den Rassisten und Nationalisten Widerstand zu leisten; den aufrechten Gang beizubehalten, auch wenn man der Einzige ist (oder zumindest der Erste); und auf die Kraft der Liebe zu vertrauen, das trifft schon sehr mein Lebensgefühl und das offenbar vieler anderer, die sich in ihrem Alltag um Nächstenliebe und Ökologie bemühen.
Konstantin, Dein Konzert war ein großes Geschenk für mich. Und danke, Christian und Renate, dass ihr mich dazu angestiftet und begleitet habt. Mein benediktinischer Freund Albert (OSB) lebt seit bald 50 Jahren in Beuron „ora et labora“; ich seit dem Abitur und der katholischen Jugendarbeit „Mystik und Politik“ bzw. „Kampf und Kontemplation“. Dein Thema „Poesie und Widerstand“ trifft diese Dualität, in der es meine Lebensaufgabe bleibt, in die richtige Balance zu kommen.