Stieß auf hohe Resonanz: Abeles Vortrag über Kunst in Schorndorf.

Einen kurzweiligen Streifzug durch die vergangenen 100 Jahre Kunst- und Zeitgeschichte der Stadt Schorndorf hat am Montag der profunde lokale Kenner Eberhard Abele unternommen. Mehr als 50 Besucher wollten im städtischen Museum hören, was der Organisator des ersten Schorndorfer Bildhauersymposiums von 1987 in gut einer Stunde zu sagen hatte. Fast schon im Galopp reihte der Referent von der Kaiserzeit bis in die jüngste Geschichte dutzende Namen aneinander und bot damit auch weniger Kundigen eine hilfreiche Orientierung in der kommunalen Kulturgeschichte.

Ausgehend von Gustav Schlipf, der von 1905 bis 1919 Zeichenlehrer in Schorndorf war, zeigte Abele die lokale Verflechtung mit der Staatlichen Württembergischen Kunstschule in Stuttgart und der dortigen Bauhausszene auf. Die Schorndorfer Ina Krämer, Werner Diez oder Paul Bay, Malermeister in der Höllgasse, besuchten die Stuttgarter Gewerbeschule für Kunst.

So erlebten sie den Bau des Stuttgarter Bahnhofs 1922, den Hindenburgbaus 1928 oder der Weißenhofsiedlung mit, die in nur vier Monaten Bauzeit entstand. Mies van der Rohe, Le Corbusier oder Mart Stam (1899-1986), der den hinterbeinlosen Stuhl aus gebogenem Rohr designte, um „den Raum zu sprengen“ und eine scheinbar schwebende Sitzfläche zu kreieren, prägten diese Zeit. Der Schorndorfer Eisenmöbelhersteller Arnold, damals Weltmarktführer, produzierte dieses Designerstück in Großserie.

2010, so Abele, habe Timm Ulrichs in seiner Kunst dieses Stuhlthema aufgegriffen, etwa im „Stuhl, der sich zur Ruhe setzt“. Ein Exponat habe die Stadt erworben und stellt es seither im Rathaus im ersten Stock aus. In der NS-Zeit habe der Schwäbisch Gmünder Künstler Prof. Jakob Fährle etliche Aufträge in Schorndorf erhalten, etwa eine Stahlskulptur zum 100. Geburtstag von Gottlieb Daimler 1934, die aber 1943 für die Kriegswirtschaft wieder eingeschmolzen wurde.

Oder eine martialische Darstellung der „Schorndorfer Weiber“, die von 1939 bis 1965 als Akt der Befreiung inszeniert war; 1939 eine Hindenburg-Büste oder 1941 eine Gussplatte für die Palm-Gedenkstätte, die die Szene der Erschießung des Freiheitskämpfers durch französische Soldaten zeigt. Nach dem Krieg erlangte Werner Diez regionale Bedeutung, der als Wehrmachtssoldat Russen und Ukrainer mit sympathischen Gesichtszügen gezeichnet hatte und diese Bilder über Kuriere auf Heimaturlaub nach Schorndorf bringen ließ.

Der Porträtmaler und Glaskünstler Alfred Seidel zeigte 1945/46 in seinen Werken die Gräuel des Krieges, wenn er etwa schmerzverzerrte Schreiende darstellte. Und Werner Oberle, der 1941 mit Widerstandskämpfer Hans Scholl korrespondierte, gab ab 1947 Zeichenkurse bei der Volkshochschule und hielt Vorträge über württembergische Künstler. Sein „expressiver Realismus“, so Abele, zeichnete ihn aus, wenn er etwa Blumensträuße malte oder „starke Männer“, eines seiner Hauptthemen.

1955 hinterließen Wilhelm Geyer und Florian Jakowitsch ihre Handschrift in den Glasfenstern des Neubaus der Heilig Geist-Kirche. Alfred Seidel gestaltete den Turm der Kirche und Anneliese Hahn thematisierte immer wieder die „Schorndorfer Weiber“. Gottfried von Stockhausen, der in Stalingrad gekämpft hatte und 1960 das Fresko der „Weiber“ am Rathaus anbrachte, vollzog den Switch von den einst kriegerischen Frauen hin zu den Frauen um Barbara Künkelin, die im Dialog und mit Diplomatie den Konflikt im Dreißigjährigen Krieg klären. 1969 trat Karlheinz Eisele auf den Plan, der aus dem leeren Sockel des einstigen Hindenburg-Denkmals für 700 Mark Rundungen herausmeißelte, die die Städtepartnerschaft mit Tulle als dynamische Verwebung symbolisieren sollten.

An diesem Beispiel vertiefte Abele, dass es immer ein Kampf in der Stadt gewesen sei, Geld für Kunst bereitzustellen. 1973 habe Frieder Stöckle erstmals ausgestellt und in den 1980er-Jahren sei die Kontroverse zwischen Tradition und Kunstszene zum öffentlichen Politikum geworden. Da sei es um die inhaltliche Ausrichtung des Stadtmuseums ebenso gegangen wie um bürgerschaftliche Beteiligung durch das spätere Kulturforum oder die Durchsetzung einer Fußgängerzone.

1986 gründete sich das Figurentheater Phönix und 1987 fand das erste Bildhauersymposium statt. Der Referent: „Das war eine günstige Verbindung zwischen Bürgermeister Reinhard Handke und Künstler Frieder Stöckle im Kontext der Zeit von Lothar Späth als Ministerpräsident.“ Nun habe sich die „Künstlergruppe Olga 87“ gegründet und man habe wahrgenommen, dass es in der Stadt 14 Ateliers gab., die sich 1990 bei einer Ausstellung in Tulle präsentierten; zuhause Quartiersarbeit machten, in dem sie Menschen zum Dialog zusammenbrachten, und Skulpturen im öffentlichen Raum präsentierten. Stellvertretend nannte der Referent allen voran Renate Busse, Gez Zirkelbach, Ebba Kaynak oder auch Christoph Traub.

Kunst bleibe ein spannendes Thema in der Stadt, insbesondere im Kontext von „Kunst am Bau“. Dafür stünden die PV-Installation im neuen Burg-Gymnasium, die Wandmalereien in der Klinik, die Skulptur am Neubau der Stadtwerke oder das Zirkelbachbild in der Rainbrunnen-Grundschule, an dem jährlich die Drittklässler weitermalen. Die Kunstgalerie und die jährliche Kunstnacht im September seien zudem Leuchttürme, die das Erreichte sichtbar machten.

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