Sportjournalismus stand für mich als Wirtschaftsredakteur vor dem Feuilleton lange Zeit auf dem letzten Platz des Bedeutungsrankings unseres Berufsstandes. Denn ob nun der 1. FC Bayern oder der VfB Stuttgart Deutscher Meister wird, war und ist doch letztlich irrelevant. Da war das Kulturressort schon bedeutungsvoller, weil es dort auch um Politik, (Meinungs-)Freiheit etc. geht.
Nun hat mich gestern in der Süddeutschen die Lektüre eines Interviews mit Alt-Meister Dieter Kürten (88) und Jochen Breyer (40), die beide „Das Aktuelle Sportstudio“ moderiert haben, eines Besseren belehrt. Schlagartig wurde mir bewusst, wie politisch auch der Sport geworden ist mit seiner ungleichen Bezahlung derselben Sportart bei Männern und Frauen; dem Doping; den von Diktaturen gekauften internationalen Sportveranstaltungen oder den Milliardären, die Fußball-Clubs kaufen und Erfolg „machen“.
Vor allem ist mir beim Lesen die Parallelität des Niedergangs von Wirtschafts- wie auch von Sportjournalismus aufgefallen, über den ich mir bei Letzteren nie Gedanken gemacht hatte. So berichtet Kürten, wie er in den 1980er-Jahren seine Studio-Gäste noch geschont hat, weil sie unerfahrene, junge Fußballspieler waren, die oft wenig wortgewandt waren. Oder wie sich andererseits Christoph Daum und Uli Hoeneß in seiner Sendung gezofft haben, weil Medien öffentliche Marktplätze waren und nicht taktische Spielfelder.
Oder wenn Kürten sagt, er habe die jungen Spieler direkt nach einer Partie ins Studio einladen können oder sogar aus dem Teambus noch herauszitieren, weil es eine Ehre war, gefragt zu werden und dies die Höflichkeit gegenüber der Öffentlichkeit gebot. Heute dagegen hätten alle Spieler-Millionäre ein Medientraining, taktische Kommunikationsberater und Studiogäste müssten oft bereits Wochen zuvor gebucht werden.
Ähnlich läuft es bei „Anne Will“ & Co. in der Politik, dass etwaige Studiogäste ihre Bedingungen stellen, was z.B. nicht gefragt werden darf, damit sie überhaupt zusagen. Das passt zu meinem Alltag als „kleiner“ (Wirtschafts-)Journalist, der für kleines Honorar, weil die Printmedien kaum mehr Gewinne erwirtschaften, Recherche-Partner finden muss, die dann ihre Bedingungen stellen, unter denen sie überhaupt erst bereit sind, mit mir zu sprechen. Vereinzelt erwarten Redaktionen sogar, dass ich Berichte den Interviewten „zur Abstimmung“ nochmal vorlege. Da streichen die dann nicht nur wichtige Fakten raus, sondern „korrigieren“ sogar meine Grammatik, weil sie bspw. selbst den Konjunktiv nicht mehr beherrschen – oder Sachen darin lesen, die dort gar nicht stehen.
Kurz: Diesen Sommer werde ich 60. Und lange dachte ich, ich würde arbeiten, solange mein Verstand noch mitmacht und jemand gerne etwas bei mir beauftragt. Jüngst habe ich mich dabei ertappt, dass ich nachgeschaut habe, wann ich in Rente gehen kann: Im August 2026. Zwar mit 13,8% Abschlägen, aber auf Grund meines Lebensstils kann ich mir das leisten. Meiner psychischen Gesundheit tut dagegen das weitere Miterleben des Niedergangs des Journalismus absolut nicht gut. Da stimmen mir übrigens alle Kollegen zu, mit denen ich darüber spreche. Und das sind viele.
Die Pegida-Anhänger im Osten mit ihrem Vorwurf der „Lügenpresse“ waren zwar im konkreten Fall auf dem falschen Dampfer, in der Schwarmintelligenz haben sie aber gespürt, dass da vieles im Argen liegt. Das fängt bei der „Sprach-Hygiene“ und beim Gendern an, hört bei den Worterfindungen wie „Negativ-Wachstum“ und „Marktbegleiter“ längst noch nicht auf und besteht vor allem aus dem Weglassen von Fakten. Wir nannten das in meinem Volontariat 1991/92 noch Manipulation.
Gut geschrieben Leo..
Schau, da stimme ich dir mal voll zu. Kritischen Journalismus vermisse ich zum Beispiel. Wer die Verstrickungen der großen Medienhäuser mit der Hochfinanz, der Politik, den unzähligen NGOs, Verbänden, und ganz elitären Vereinigungen wie Bilderberger , dem transatlantischen Bündnis oder dem WEF erkannt und eingeordnet hat, weiß, wer die Meinungsmache bestimmt.
Gruß
Ralf