Bis zu einem Interview in der Weihnachtsausgabe der „Süddeutschen“ hat mir der Name Marlene Engelhorn auch nichts gesagt. Die 29-jährige Wienerin ist Nachfahrin des BASF-Gründers Friedrich Engelhorn und ihr Opa Peter war Mitgesellschafter der Boehringer-Mannheim-Gruppe, die für mehrere Milliarden Euro an den Pharmakonzern Roche verkauft wurde. Ihre Oma hatte der Germanistikstudentin demnach vor zwei Jahren offenbart, sie werde einen zweistelligen Millionenbetrag erben und die junge Frau kündigt nun an, sie werde mindestens 90 Prozent des Geldes abgeben, weil es ihr nicht zustehe.
In dem Interview mit zwei SZ-Redakteuren kritisiert Marlene Engelhorn, dass Geld immer in den Händen weniger bleibe, von denen 80 Prozent diesen Reichtum nicht erworben, sondern geerbt hätten. Das konterkariere den Gedanken der Leistungsgesellschaft, zementiere Ungerechtigkeit, fördere Chancenungleichheit und gefährde damit letztlich die Demokratie. Diese stehe deutlich über dem Prinzip der Marktwirtschaft.
Engelhorn fordert analog der definierten Armutsschwelle, in unserer Gesellschaft eine „Reichtumsschwelle“ zu benennen ab der man „überreich“ sei, was ebenso zu bekämpfen sei wie Armut, „denn beides ist strukturell verknüpft.“ Selbst Erfinder und sogenannte Selfmade-Millionäre seien tatsächlich immer in Strukturen eingebettet, die ihnen den Erfolg ermöglichten. Das seien ein funktionierendes Rechtssystem, eine ausgeprägte Infra- und Bildungsstruktur, gut ausgebildete Mitarbeiter und vieles mehr.
Bereits die Ehefrau ihres Vorfahren werde unterschlagen, die ihm den Rücken freihielt und seine Kinder aufzog, argumentiert die Reichtumskritikerin. Besitz und Vermögen seien ein letztes großes Tabu unserer Gesellschaft, so ihre Wahrnehmung, nachdem „auch über Sexualität ewig nicht geredet wurde.“ Mit ihrem Weg an die Öffentlichkeit will sie dieses Tabu brechen helfen, zumal Geld auch viel mit Macht zu tun habe, über die man Transparenz herstellen müsse, solle eine Gesellschaft stabil funktionieren.
Mit anderen Vermögenden hat Engelhorn deshalb die Initiative „Tax me now“ gegründet, die etwa Schlupflöcher bei Schenkungen und „seltsame Ausnahmen für Erbschaften“ abschaffen und eine effizientere Steuerfahndung bei Behörden fördern will. Auch hier lehnt sie sich an das Vorbild an, mit dem sozial Schwache durchleuchtet und kontrolliert werden, ehe sie Leistungen erhalten. Dagegen würden wirklich Reiche hofiert, ob und in welcher Höhe sie bereit wären, Steuern zu zahlen.
Ich unterschreibe jeden Satz in diesem Interview und beglückwünsche die junge Frau zu ihrer Haltung. Doch bei all ihrer Kritik gilt auch, dass die Behörden deshalb so nachsichtig sind, weil Kapital scheuer als ein Reh ist und sich digital sehr leicht in andere Länder und Steueroasen transferieren lässt, wofür Amazon, Google, Apple & Co. beste bzw. übelste Beispiele sind. Ein Grund mehr, möglichst bald ein globales Steuerrecht einzuführen.
Und auch diese Erfahrung wird Marlene Engelhorn machen, wenn sie ihr Erbe zu größten Teilen weiterreicht: Es werden sich Bevollmächtige, Wirtschaftsprüfer und Anwälte bereichern; Bedürftigkeiten werden vorgetäuscht oder zumindest dramatisiert und Geld wird verschwendet – weil es nicht das eigene ist. Das kann sie nicht einmal verhindern, wenn sie bspw. selbst für das Geld Wohnungen kaufen und günstigst vermieten würde.
Woher ich das weiß? Weil ich fast 30 Jahre älter bin als Marlene und deshalb bspw. die „sozialistische“ DDR noch bei etlichen Besuchen unserer teils verzweifelten Verwandten selbst erlebt habe. Weil ich viel mit Vermögenden spreche, die sich ihrer sozialen Verantwortung stellen und auch eigene Erfahrungen und Beobachtungen gemacht habe. Und von protzenden Klerikern, die Kirchensteuern verprassen statt jesuanische und franziskanische Armut zu leben, liest man leider auch immer wieder.
All meinen Lesern wünsche ich ein gutes neues Jahr und bedanke mich für eure Treue, mich auf meinen Gedankenreisen immer wieder zu begleiten. Mein Wunsch und Ziel: Dass wir bessere Menschen werden, im Sinn von Wahrhaftigkeit. Dann können wir auch mit Geld, Macht und Erfolg gut umgehen – und Rückschläge besser aushalten. Danke.