Meinen Beruf des Journalisten finde ich immer wieder fasziniert, weil ich quasi täglich an Weiterbildungen teilnehme. Mein Fachgebiet der CO2-Neutralität beim Bauen (Kreislaufwirtschaft), Wohnen (ernergieautarke Bewirtschaftung) und der Mobilität franst einerseits an immer mehr Stellen aus in neue Fachgebiete, die oft ein hohes Maß an naturwissenschaftlichem Verständnis erfordern, andererseits kann ich so gut den ganzen Debatten folgen, die etwa bei der Weltklimakonferenz oder den aktuellen Koalitionsverhandlungen in Berlin stattfinden.
Mein jüngstes Beispiel ist eine Recherche, die ich vorige Woche bei Prof. Ralf Wörner in Göppingen gemacht habe. Der Leiter des Instituts für nachhaltige Energietechnik und Mobilität der Hochschule Esslingen befasst sich mit Brennstoffzelle und Wasserstoff. Das sagt er zur Bedeutung der Brennstoffzelle im Kontext der Transformation unserer Energiepolitik:
Ihre hohe Effizienz macht die Brennstoffzelle seit 2000 für mobile Anwendungen im Schwerlastbereich wie Lkw, Busse oder Schifffahrt interessant. Diese basiert auf Methanol, Erdgas oder Wasserstoff und kann von dort nach 2030 in leichtere Transportklassen sowie in die Luftfahrt migrieren. Der Grund: Wenn die Weltbevölkerung bis 2040 auf zwölf Milliarden wächst und insbesondere Länder wie China oder Indien zunehmend konsumieren, kommt die Batterie als Brückentechnologie an ihre Grenzen. Denn bei mehr als 800 Millionen Pkw-Batterien sind die Ressourcen an Seltenen Erden erschöpft.
Ein Vorteil der Brennstoffzelle: Seltene Erden benötigt sie keine und Wasserstoff ist aus regenerativen Energien herstell- und beliebig speicherbar. Bei großen Volumina kann der Wasserstoff via eigener Pipeline oder solchen für Erdgas über größere Distanzen herangeführt werden. Schottland nutzt etwa ehemalige Ölplattformen, um den Windstrom von Offshore-Anlagen dort in Wasserstoff zu transformieren und via Schiff zu den Verbrauchern zu bringen.
Am Äquator eignen sich Solarparks, Wasserstoff aus der Sonne zu gewinnen, zumal dessen Transport drastisch günstiger ist als Überlandleitungen für Strom. Deshalb wird erfolgsentscheidend sein, bis 2040 die Infrastruktur entsprechend auszubauen. Denn dann werden neben der Mobilität auch sämtliche stationären Anlagen, etwa in der Stahlproduktion, mit Wasserstoff klimaneutral versorgt werden können.
Während heute ein Äquivalent von Wasserstoff einem Benzinpreis von drei Euro je Liter entspricht, wird sich diese Relation umkehren. Denn höhere Volumina vergünstigen den Preis massiv, während die CO2-Steuer fossile Energieträger massiv verteuert. Zum Vergleich: Ein Liter Benzin entspricht dem Brennwert von 10 Kilowattstunden (kwh), wobei die kwh mit 18 Cent dauerhaft stabil bleiben wird. Großabnehmer zahlen schon heute unter drei Cent, wenn sie ihn kontinuierlich abnehmen und somit nicht die Netze stressen. Die Wasserstofferzeugung kann auch hier künftig als Puffer für lineare Bezüge dienen.
Da vom globalen Energiebedarf ein Viertel auf die Mobilität entfällt und hier wiederum die Hälfte auf den Schwerlastverkehr, werden Brennstoffzelle als Antrieb und Wasserstoff als Energieträger bis 2030 maximal 12,5 Prozent des globalen Bedarfs durchdringen. Denn auch im Schwerlastbereich gibt es Einsätze unterhalb von 200 Kilometern Reichweite pro Tag, bei denen die Batterie mittelfristig wirksamer bleibt.
Bis 2030 gibt es zudem staatliche Förderungen von 50 bis 80 Prozent, was das Umrüsten auf Brennstoffzellen begünstigt. Danach, da ist sich Prof. Ralf Wörner sicher, wird es kaum noch Förderung geben, weil die Staaten an die Grenzen ihrer Haushaltsbudgets gelangen, viele Bevölkerungen überaltert sind, die Technologie ausgereift ist und der Export nationale Begünstigungen intransparent macht. Wörners Fazit: Bis 2040 wird der Wasserstoff dauerhaft maximal ein Viertel des Energiebedarfs abdecken, stark abhängig von Netzausbau und Infrastruktur. Entsprechend werden 60 Prozent über das Stromnetz gedeckt und 15 Prozent über Erdgas, Kerosine und andere fossile Stoffe.
Aktuell, so der Experte, arbeiten bundesweit etwa 5000 Menschen in 20 Instituten und 700 Firmen an der Brennstoffzellen-Zukunft. Bis 2040 müssten es eine Million Beschäftigte sein, so seine Prognose, um den Bedarf zu decken. Das stelle eine gigantische Herausforderung an den Ausbildungs- und Weiterbildungsmarkt dar. Er selbst baut sein Institut in Göppingen aktuell von vier auf zwölf Mitarbeiter aus und kooperiert mit drei Professoren und deren Studierenden an seiner Hochschule in Esslingen.