Die ersten 25 von rund 500 dieselbetriebenen Oldtimer-Bussen, die in Berlin Touristen chauffieren, werden 2019 auf emissionsfreien Elektroantrieb umgerüstet. Ein Jahr später sollen es 75 Doppeldecker sein und ab 2021 ein Bus pro Tag. Die Vorbereitungen für das zig Millionen Euro teure Projekt, für das ich seit 1. August die Pressearbeit macher, laufen auf Hochtouren.
In einer 6000 Quadratmeter großen Leichtbauhalle beim Flughafen Schönefeld beginnen kommendes Jahr die Umrüstungen, für die sich das Konsortium Tassima AG aus vier Partnern gegründet hat. „Wir kaufen die alten Busse zum Restwert auf, rüsten die Busse auf E-Antrieb um und verleasen sie an deren Betreiber zurück,“ sagt Rainer Nobereit. Die Kosten pro Fahrzeug, so der Vorstandsvorsitzende der dafür gegründeten Aktiengesellschaft, werde bis zu 500.000 Euro betragen.
Die Antriebseinheiten liefert die VW-Tochter IAV, die elektrische Antriebsachse als Plug&Play-Umrüstsatz der Hohenloher Ventilatorenhersteller Ziehl-Abegg. E-Motor und Leistungselektronik werden je in die Radnaben integriert, nachdem der alte Antrieb ausgebaut und die ausgeräumte Karosserie zunächst runderneuert wurde. Auch die verschlissenen Sitze und das Interieur der Oldtimer werden erneuert.
Eine Leasinggesellschaft und (Umwelt-)Banken werden im Auftrag der Tassima AG die Umrüstung und anschließende Vermietung finanzieren. Für diesen Zweck gründet die AG eine Mietpool-Gesellschaft, aus der etwa auch während der Umrüstzeit Ersatzfahrzeuge überlassen werden.
Sämtliche 500 Berliner Busse stammen aus dem Linien- und Reiseverkehr und wurden für touristische Zwecke umgewidmet. Die Retro-Busse, die häufig nur die Euro2- oder Euro3-Norm erfüllen, fahren alle mit Sondergenehmigung. Und da die Oldtimer fast immer unter 30 km/h fahren mit häufigen Stopps bei laufendem Motor, laufen die Dieselmotoren nur im unteren Drehzahlbereich, weshalb sie extrem ineffizient sind und erhöhten Feinstaub ausstoßen.
„In Krakau haben die Polen ab Oktober für diese Busse ein Fahrverbot erlassen,“ sagt Roland Prejawa, Aufsichtsratsvorsitzender der Tassima AG und Mitbegründer von Gullivers Reisen in Berlin 1983. Ein weiterer Gesellschafter ist Dirk Poguntke, seit 1996 geschäftsführender Gesellschafter der Berlin City Tour GmbH. Dass das Konsortium einem Kompetenzteam gleich kommt, belegt auch Tassilo Soltkahn: Der Architekt für Industrieanlagen bringt das Grundstück am Flughafen Schönefeld mit 30.000 Quadratmetern ein und Vorstandsvorsitzender Rainer Nobereit etwa die Mobilhalle mit 6000 Quadratmetern oder der Nürnberger Leasing als Finanzier, der auf e-Mobilität spezialisiert ist und neuerdings auch Lokomotiven finanziert.
„Die Umrüstung halbiert die Betreiberkosten von 1,5 Euro je Kilometer auf 75 Cent,“ sagt Prejawa, der viele Jahre verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Senat war und bestens in der Stadt und bundesweit in seiner Partei vernetzt ist. Dabei kalkuliert der Logistiker mit 23 Cent je Kilowattstunde. Zum Vergleich: Solarparks liefern mittlerweile die kWh zu sechs Cent. Dazu muss man wissen, dass die Touristikbusse 250 Tage im Jahr im Einsatz sind, 120 Kilometer pro Tag zurücklegen und bis zu 40 Liter Diesel auf 100 Kilometer verbrauchen.
„Für die Umrüstung gibt es neben der Rentabilität weitere Gründe,“ wirbt Nobereit und nennt Steuervorteilen durch Leasing, drohende Fahrverbote, Imagegewinn oder Vergabevorteile bei öffentlichen Ausschreibungen. Denn nach der Touristik könnten ÖPNV-Linien und Müllfahrzeuge für weitere Nachfrage sorgen. In der Anlaufphase will Tassima 35 Jobs für Facharbeiter wie Hochvoltspezialisten, Schweißer, Tischler oder Polsterer schaffen.
Die Halle ist auf bis zu 150 Busse pro Jahr ausgelegt, die zwischen zwei und zwölf Wochen hier umgerüstet werden. Dann braucht es mindestens 50 Mitarbeiter. Auch vier Hebebühnen und Lackierkabinen werden dann benötigt. Um die Durchlaufzeit gering zu halten, sollen möglichst viele Arbeiten vor Ort erfolgen.
Ein weiterer Schritt ist perspektivisch, den benötigten Strom regenerativ zu erzeugen auf PV-Dach- und Fassadenflächen in der Stadt oder Solarparks im Umland und entlang von Autobahnen. Dann fahren die Busse mit Wechselbatterien: Während die eine das Fahrzeug antreibt, speichert die andere tags über den PV-Strom aus der Anlage, was die Rentabilität weiter verbessert, die Netzinfrastruktur entlastet und die Energiewende begünstigt.
Durch die Umrüstung werden die Busse gut eine Tonne leichter und durch die Aufbereitung können die Oldtimer locker weitere 15 bis 20 Jahre in Betrieb bleiben, was sich gleichfalls positiv auf die Ökobilanz auswirkt. Für 2019 lautet das Ziel, 25 Busse umzurüsten, im Jahr darauf 75 und ab 2021 pro Werktag einen. Die Nachfrage kommt dann aus ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland, ist man sich bei der Tassima AG sicher. Und der Druck zum Umrüsten, Stichwort Sondergenehmigung für Dieselstinker, werde steigen, weil die Alternative da ist.
Der aktuelle Spiegel (35/2018) berichtet, dass im Londoner Finanzzentrum Square Mile seit Jahresbeginn müssen alle neuen einstockigen Busse dort emmissionsfrei fahren. Der Distrikt City of London prüfe nun, viel befahrene Straßen nur noch für emmissionsfreie Vehikel zu öffnen, da die Vielzahl der Pendler (und Touristen) die Luftqualität massiv beeinträchtige. Das Ende des Verbrennungsmotors rücke näher, so das Fazit.