Aufreger der Woche: Ein „Contra“ in der ZEIT sorgte für einen Aufschrei in der Gesellschaft und einen lesenswerten Hintergrund im SPIEGEL. FOTO: FROMM

Im Spiegel 31/2018 vom 28.07. seziert Jan Fleischhauer die Hintergründe zu einem umstrittenen Pro & Contra in der ZEIT der Vorwoche, in dem zwei Redakteure konträr die Rolle humanitärer Organisationen erörtern, die Flüchtlinge aus dem Mittelmeer retten. Mariam Lau, 1962 in Teheran geborene Tochter einer Iranerin, die seit Mai 2010 im Hauptstadtbüro der ZEIT arbeitet, übernahm den undankbaren Part des Contra.

Damit rief sie die Empörung der Leser hervor wie selten ein Beitrag zuvor, was offenbar eine Führungskrise in der Chefredaktion offenbart. Genüßlich skizziert Fleischhauer den typischen ZEIT-Leser und dessen Ethik und beleuchtet Kontroversen in der ZEIT-Redaktion zwischen dem vermeintlich smarten Chefredakteur Giovanni di Lorenzo und seinem Stellvertreter Bernd Ulrich, der als Grüner zu den engsten Vertrauten der Kanzlerin gehöre und viele junge Autoren in die Redaktion gebracht habe, die ihm ihre Karrieren verdankten und deshalb keine Kritik übten.

Mir gefällt an diesem Thema und dem Spiegel-Beitrag, dass er die Medienbranche selbst thematisiert, die gerne selbst über alles und jeden urteilt und dabei vermeintlich verwerfliche Hintergründe aufdeckt, sich selbst aber stets steril und sakrosankt geriert. Aus meiner Sicht hat genau diese Haltung der Selbstgerechtigkeit das Phänomen der „Lügen-Presse“ (Pegida/AfD) und der „Fake-News“ (Donald Trump) hervorgerufen.

Und die dreifache Mutter Lau, die 1965 mit ihren Eltern nach Deutschland zog und zunächst Krankenschwester lernte, machte nun die „Drecksarbeit“ für ihre Wochenzeitung, ein Handeln eben auch mal zu Ende zu denken – und diese Gedanken öffentlich zu formulieren. Danke, Frau Lau, für diesen Dienst an unserer Gesellschaft. Auch mich stören diese Denkverbote und Sprechbarrieren in unserer ach so aufgeklärten Gesellschaft, die erst die dumpfe AfD ermöglichten – wie früher schon die Republikaner.

Denn es minimiert mein Risiko als Flüchtling, das Mittelmeer zu überqueren, wenn ich hoffen (erwarten) darf, dass ich aufgefischt werde – spätestens, wenn ich in massivster Seenot bin. Das kann man auch psychischen Zwang nennen. Und mich nerven die Nichtstuer, die mich für solche Gedanken belehren wollen, aber völlig ausblenden, wie viele Flüchtlinge bereits zuvor beim Queren der Wüste verdurstet sind oder schon zuhause durch westliche Ausbeuterstrukturen verhungert oder wegen Stellvertreterkriegen ermordert und verkrüppelt wurden.

So stehe ich zwischen zwei „Fronten“. Hier die AfD und deren Verlierer, bei denen ich ebenso den Hilfeschrei nach Zuwendung und Beachtung höre, und den „Gutmenschen“, ja, ich verwende diesen Begriff, die sich stets korrekt ausdrücken, Bio kaufen und fürs Tierheim spenden, aber strukturell nicht aus ihrer Komfortzone kommen, um gesellschaftliche Strukturen zu verändern. Ich hätte gar nicht die Zeit gehabt, mich über Frau Laus Zeilen zu empören, weil ich mich um meine Firma, um wirtschaftlich Schwache (die sind nicht sozial schwach!) oder als Firmhelfer um die Weitergabe des Glaubens kümmere, um der AfD bei künftigen Generationen durch Selbstliebe und Charakterbildung den Nachschub abzugraben.

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