Martin Luther hat nicht nur die Kirche gespalten, sondern auch das Bild der Familie nachhaltig verändert. Prof. Dr. Sabine Holtz hat im Schorndorfer Martin-Luther-Gemeindehaus die historischen Belege hierfür in einem Vortrag geliefert.

Die Spezialisten für das Reformationszeitalter steigt mit Bildern aus dem 19. Jahrhundert ein, die den Reformator im Kreis seiner Familie in allen möglichen Kontexten zeigen. „Es ging immer darum, das Bild der Ehe zu fördern“, so die Lehrstuhlinhaberin für Landeskunde der Universität Stuttgart. Dass die gebürtige Süßenerin, die auf Einladung von Dr. Andrea Bergler vom Stadtmuseum referiert, auch evangelische Theologin ist, macht ihre Aussagen noch profunder.

Interessante Einblicke in den Alltag während der Reformation: Prof. Sabine Holtz (r.) referiert auf Einladung von Dr. Andrea Bergler (l.) im Luther-Jahr in Schorndorf über „Geschlechterbeziehungen und Familienbild“.

So waren die Luther-Darstellungen wichtig, um ihn theologisch gegen Zölibat und Ordensleben, die im Katholizismus weiter gültig waren, abzugrenzen. Als Augustiner-Mönch hatte der spätere Wittenberger Professor die Ehe für sich noch abgelehnt, wie Dokumente belegen. Darin schreibt er über Ehepflichten und Scheidungsgründe.

Laut Holtz drängt die 20-jährige Ordensschwester Katharina von Bora den 42-jährigen Reformator zur Ehe, um – ökonomisch abgesichert – ihr Kloster verlassen zu können. Er wiederum willigte ein, um eine größtmögliche Provokation der alten Ordnung zu erwirken: Die „Vernunftehe“ wurde im Juli 1525 vollzogen und war damit längst nicht die Erste eines vormals katholischen Klerikers.

Ein Jahr später kam Sohn Hans zur Welt und binnen acht Jahren weitere fünf Kinder, von denen zwei früh starben. Da aber Luther nie Pfarrer war, sondern eben als Professor lehrte, kann er gar nicht den klassischen, protestantischen Pfarrhaushalt begründet haben, so die Referentin. Theologisch verändert sich die Ehe vom sakralen Akt, der nach der Priesterweihe kommt, zum christlichen Ideal, das im Protestantismus Weltbild-prägend wird.

Die Frau gehorcht dem Mann und er liebt seine Frau. Dasselbe Verhältnis gilt zwischen Untertan und Fürst sowie dem Menschen und Gott. Zugleich gibt es keine Hierarchie mehr zwischen asketischem Priester und weltlichem Ehemann, zwischen Gebet und Arbeit – alle und alles sind gleichwertig. Dagegen betont das Konzil von Trient als Reflex den Primat des Zölibats, schafft die Scheidung ab und professionalisiert die Priesterausbildung, die ab nun fundierte Lateinkenntnisse und ein Theologiestudium brauchen. Ein Feld, auf dem sich die Jesuiten profilieren.

Bereits 1524 appelliert Luther, in Schulen statt in Stadtmauern zu investieren und widmet die Lateinschulen für die Söhne höherer Stände in eine gemischte Primärschule um, die auf Deutsch gleichermaßen Jungen und Mädchen unterrichtet. Während in der Folge in jeder Pfarrei eine Dorfschule entsteht und in der Familie der Vater auch die religiöse Erziehung verantwortet, übernimmt bei den Katholiken der Pfarrer die Bildung.

1538 wird auch die Lateinschule in Schorndorf in eine „Volksschule“ umgewidmet. Bei der Heirat, so die Professorin, waren zu Luthers Zeit die Menschen 25 bis 28 Jahre alt und eben „keine halben Kinder“. Die allgemeine Ehe galt auch dem Ziel, Unzucht zu eliminieren. Dass dies gelingt, belegen Erhebungen, wonach nur gut ein Prozent der Bevölkerung unehelich geboren war. Allerdings waren auch Maßnahmen der Verhütung bis zur Abtreibung bekannt.

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