Schlussrunde am Sonntag: Viele Männer sagen, was sie bewegt und was sich verändert hat. FOTOS: FROMM

Ich vergleiche Männertreffen, zu denen 40, 60 und bis zu 400 Teilnehmer kommen und an ihren Verletzungen arbeiten, gerne mit Feldlazaretten: In den Kriegen wurden und werden dort die Verwundeten versorgt und behandelt, Wunden gesäubert, Blutungen gestillt, operiert und amputiert – und vor allem kommen diese Männer zur Ruhe. Im normalen Leben herrscht zwar ständig Krieg und überall treffe ich auf verletzte und verwundete Männer, aber die Lazarette fehlen. Ein solches „Feldlazarett“ habe ich nun aber über Fronleichnam bis gestern fünf Tage in Kirchschlag bei Linz beim Männerfestival erlebt.

2017 von Franz-Josef dort im Haus Breitenstein als jährliches Treffen initiiert, machte die Pandemie der privaten Initiative früh einen dicken Strich durch die Rechnung. 2022 übernahmen der Ingenieur Andreas Mairwöger (44) und der Zahnarzt Ulrich Guserl (47) das Veranstaltungsmanagement und professionalisierten die Strukturen. Nach etwa 60 Teilnehmern im Vorjahr waren es dieses Jahr rund 100, die zu etwa einem Viertel aus Deutschland kamen – bis aus Hamburg und Bremen.

Die Veranstalter, zwei „dicke Freunde“, wie man auf Anhieb spürt, bilden das Herzstück mit ihrer Leidenschaft für Männerarbeit und ihrem biographisch trainierten Selbstbewußtsein. Dabei ergänzt sich das Duo, das in orangen T-Shirts eine Helfer-Crew um sich kreiert hat, um sich nicht in Details zu verzetteln, exzellent: Ulrich, der sich allein schon durch seine Erscheinung und Präsenz für die Teilnehmer ideal als Projektionsfläche für Männlichkeit eignet, ist quasi das Gesicht der Veranstaltung, der nach vorne geht, während Andreas ihm hinter den Kulissen den Rücken freihält, Prozesse steuert und Sponsoren besorgt.

Macher (v.l.), die sich aneinander freuen: Ulrich, Leo, Andreas.

Dabei war es Andreas, der vor einem Jahr 40 Referenten anschrieb, darunter mich, ob wir nicht Lust hätten, vom 7.-11. Juni nach Kirchschlag zu kommen und hier kostenlos Workshops zu halten. Die Resonanz war offenbar überwältigend. Denn fast ähnlich viele Referenten und Workshopleiter tummelten sich nun auf dem Gelände mit rund drei Dutzend angeboten. Und obwohl ich selbst zwei gestalttherapeutische Workshops gab und an einer Männergruppe im Format von MKP mitwirkte, einer sogenannten IGroup (Initiationsgruppe), fand ich Zeit, meinerseits mehrere Workshops zu besuchen.

Deshalb erlaube ich mir das Urteil, dass ich eine solche Dichte und Qualität an Angeboten noch nirgendwo sonst bei Männertreffen erlebt habe. Durchweg nahm ich kompetente Referenten wahr, die ihre Teilnehmer erreichten und von ihrer Arbeit (Dienstleistung) beseelt waren. Nur vereinzelt hörte ich kritische Stimmen. Als Gestalttherapeut und Männer-Coach bin ich gewohnt, dass in meinen Formaten zunächst geweint und geschrien wird, ehe dann Lachen und Heilung kommen.

In Kirchschlag durchliefen die Männer aber auch in anderen Workshops diese Phasen und ich erlebte eine Methodenvielfalt bei den Kollegen, eine souveräne Anleitung der Übungen und eine Achtsamkeit für jeden einzelnen Teilnehmer, die mich tief berührten. Stellvertretend, um den Lesern einen Einblick zu bieten, möchte ich Philipp Weinberger nennen, der in seinem Seminar „Frieden machen“ einen schamanischen Ansatz wählte, der den einzelnen tief in seine Gefühle führte.

Oder Manuel Harand aus Wien, der bei „Durch Gefühle zur Lebendigkeit“ mit den vier Grundgefühlen Freude, Trauer, Angst und Wut nach C.G. Jung arbeitete und durch seine Methodik tiefe Prozesse in den Teilnehmern auslöste, um etwa zu mehr Selbstbewußtsein zu kommen (Angst), eine schmerzhafte Vergangenheit loszulassen (Trauer) oder sich endlich von der dominanten Mutter zu lösen (Wut). Mein Highlight war Stefan Prieth mit seiner Aufstellungsarbeit zu „Das vier-kammerige Herz“, der eine Meditation vorausging, um sich über die vier Kammern Klarheit, Stärke, Offenheit und Fülle bewusst zu werden.

Viele weitere Referenten, die ich teils bei den Mahlzeiten oder den „offenen Abenden“ kennenlernen durfte, haben gleichfalls tolle Arbeit geleistet. Das hörte ich auch von anderen Teilnehmern, mit denen ich auf dem wunderbaren Gelände oder in der Turnhalle im Ort, die zum Schlafsaal umgewandelt war, immer wieder im Austausch war. Gerade die methodische Vielfalt von körperbetonten Angeboten wie Stockkampf oder Eisbaden über Meditation und Yoga sowie musikalische Selbsterfahrung (Karl-Heinz und Herbert ihr wart klasse!) bis hin zu den Stuhlkreisen, in denen gearbeitet wurde, ermöglichten jedem seinen persönlichen Zugang in die eigene Veränderung.

Und mit Kosten von gut 300 Euro inklusive Übernachtung und Verpflegung pro Person war das Festival ein Schnäppchen. Über Fronleichnam 2024 (29.05.-02.06.) möchte ich auf jeden Fall wieder teilnehmen und aus meiner süddeutschen Männer-Community mit zehn Freunden anreisen. Wir könnten das als eine Art Vereinsausflug gestalten. Der Gedanke gefällt mir. Danke Ulrich, danke Andreas.

7 Comments

  1. Micchor Robert

    Hallo Leo!
    Danke für deine Zeilen, die Mut machen und das tolle Männerfestival bei Linz samt Crew ehren!
    Robert

    1. Danke. Die Tage mit Dir erleben zu dürfen, war mir ein Fest. Leo

  2. Löw Heinz

    Servus Leo,
    vielen herzlichen für den treffenden Kommentar. Vielmehr noch für Deinen Workshop, der mir durch Deine Klarheit und Offenheit sehr beeindruckt hat.
    Heinz

  3. Erik

    Moin Leo!
    Schöner und treffender Beitrag. Toll, dass wir uns dort begegnet sind. Nächstes Mal auf ’ner Bank an der Küste?
    Feste Umarmung, offenherzige Grüße aus’m Norden, Erik

    1. Wie es aussieht, bist Du gut in Bremen wieder angekommen.

  4. Andreas Dangel

    Wunderbare Zeilen, Leo. Da ich auch Teilnehmer war, schwelge ich sofort wieder in Gedanken. Die Energie, die Schwingungen, das Mann-sein – das werde ich alles in mein weiteres Leben mitnehmen. Bin Dankbar, dass es auch Menschen wie dich gibt, die Männer im „Lazarett“ kostenlos zur Heilung bringen. Für mich war es so bewegend. Namaste.

    1. Ich danke Dir, Andreas. Dich und Deine „Öffnung“ dort erleben zu dürfen, war ein großes Geschenk für mich. Danke.

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