Mit dem virtuellen Männerstammtisch Digimen bin ich um Ostern vor zwei Jahren in die digitale Welt der Kommunikation und bald auch der Therapie eingestiegen. Dafür bin ich meinen Mitstreitern aus der diözesanen Männerarbeit und dem Ludwigsburger Kulturzentrum Scala, die mich als Partner in das Projekt einbanden, sehr dankbar. Denn mein Ausbilder zum Gestalttherapeuten, Hans-Jürgen Krebs, der großen Einfluß auf mich hatte, vertrat stets den Standpunkt, Gestalttherapie geht nur „im vollen Kontakt“, also in Präsenz. Diese Gewißheit hat Fritz Perls, der Begründer dieser Therapieform, in den 1930er-Jahren in den USA geprägt.
Der Schüler von C.G.Jung kannte noch gar kein Internet oder gar Zoom. Mittlerweile habe ich damit viel Erfahrung, auch mit großen Gruppen, und kann sagen: Es funktioniert. Sogar außergewöhnlich gut. Oft erlebe ich nahezu keine Abstriche gegenüber einem Format in Präsenz. Und auf jeden Fall bekommt der Teilnehmer, wofür er sich eingelockt hat. Eigentlich immer kann ich meine Klienten tief ins Gefühl führen, wo sie bspw. Tränen in den Augen haben oder sogar auch mal bitterlich und für viele lange Minuten weinen. Wie schön.
Einzige Einschränkung: Wut-Arbeiten gehen virtuell nur sehr bedingt, weil ein Teilnehmer vielleicht seine Verachtung oder seinen Hass artikulieren kann, wenn es sich durch meine Nachfragen so ergibt. Doch online fordere ich einen Klienten nie auf, ob er nun seiner Wut Ausdruck verleihen will. Zwar kann er im Einzelfall – und nach Vorwarnung – schon mal schreien. Aber auf der Symbolebene und mit Equipment wi einem Baseballschläger einen Elternteil, einen Vorgesetzten oder Vergewaltiger zu töten, das machen wir nur in Präsenz. Denn dabei kommt es viel mehr auf die Intension an als auf „die action“, was übrigens viele Therapeuten m.E. nach falsch machen, wenn sie sich überhaupt auf dieses Terrain trauen.
Aber darüber wollte ich gar nicht schreiben. Ich wollte zum Abschied vom – dank Scala – professionell produzierten Digimen einfach noch eine Sequenz aus dem Frühjahr hier einspielen. Denn die Idee war stets, einen offiziellen Teil aufzuzeichen und danach die Öffentlichkeit auszuschalten, damit sich die Teilnehmer im vertrauten Rahmen frei zeigen, ihre Fragen stellen und ihre Erfahrungen teilen konnten. Eigentlich ein sehr schönes (und bequemes) Format, dem es allerdings stets an Reichweite fehlte. Vor zwei Jahren war ich mir ziemlich sicher, wir würden mittelfristig 300, vielleicht sogar 3000 Zuschauen bekommen. Im besten Fall, für den ich viel getan hatte, waren es nicht mal 30.
Doch es ist fast immer und überall dasselbe: Es fehlt an Leidenschaft für das „Verkaufen“. Das ist irgendwie wohl mit Scham besetzt und bedeutet auf jeden Fall harte Arbeit, die ich aus meiner Selbstständigkeit seit gut 20 Jahren kenne: Verkaufen heißt, Ablehnung zu riskieren. Dutzendfach, hundertfach, tausendfach. Das muss man aushalten. Und weil ich hier, mal wieder, ehrenamtlich mitgemacht hatte, wollte ich nicht auch noch Arbeit ins „Verkaufen“ investieren. So war ich auch rasch dabei, das Projekt zu liquidieren. Das fordern schon mein Stolz und mein Selbstverständnis. Dennoch waren es zwei lehrreiche Jahre, die mich digitalisiert haben. Ciao, digimen!