Sechs Schüler, Studenten und Studienabbrecher, davon vier Frauen, haben beim jüngsten Treffen der Initiative Fridays for future in Stuttgart das Kampagnenteam gebildet, das sich seit Monaten wöchentlich im Kultur- und Jugendtreff Forum 3 in der City trifft. Als Gäste waren dabei ein etwa 40-Jähriger, der sich als Mystery Shopper vorstellte; eine Mutter von „parents for future“, die sich einbringen wollen; und ich, der ich mich als Kommunikationsberater vorstellte, der für etliche Firmen arbeitet, die mit ihren technischen Lösungen die Energiewende aktiv mitgestalten und die mit Wohlwollen diese Aktivitäten verfolgen.
Dass drei der sechs jungen Leute bis zu sieben Minuten zu spät zu dem auf 17.30 Uhr angesetzten Termin kamen, sah ich vor dem Hintergrund kritisch, dass die ersten um 18.30 Uhr schon wieder weitere Verpflichtungen hatten, etwa bei den Jusos die Bewegung vorzustellen. Immerhin sollte nun jeder reihum seinen Vornamen sagen, was aber keinen Informationswert bot. Hinzu kam, dass die straffe Agenda mit acht Punkten immer wieder von Jokes und Parallelgesprächen torpediert wurde.
Ein Punkt war bspw. die vielen Anfragen per Mail oder Visitenkarte, mit denen Organisationen, Firmen und Initiativen mit den jungen Aktivisten in Kontakt kommen wollen. Die sollen nun in einer Excel-Tabelle gesammelt werden. Offen blieb, wer sich darum kümmert und Anfragen beantwortet. Irritiert hat mich an dieser Stelle, nicht den Dialog und die Lösung zu suchen, sondern die formale Machtanalyse: „Wer etwas will, soll sich bei uns melden. Wir laufen keinem nach.“
Dazu passte, dass jemand eine verknitterte Visitenkarte achtlos auf den Tisch warf mit der Bemerkung: „Und was geschieht damit?“ Mehrere fingerten nach der Karte, ehe sich eine erbarmte und das Papier zu sich nahm. Spätestens hier war für mich klar, dass ich bis zum Ende des Treffens weiter schweigen würde, zumal sich niemand für mich interessierte. Ich hätte wohl auch von der AfD oder dem Verfassungsschutz kommen können. Ich fand das weder professionell noch wertschätzend.
Ein weiterer Punkt waren Presseanfragen. Die „Stuttgarter Zeitung“ will demnach über die Ferienregelung bei den Schülerprotesten schreiben und einzelne Akteure porträtieren, die möglichst CO2-neutral in Urlaub fahren. Abgesehen davon, dass ich diese klischeehaft-inszenierte Herangehensweise der Kollegin für der Regionalzeitung unwürdig halte, würde ich mich auch als Aktivist dagegen wehren, unter Rechtfertigungsdruck zu kommen. Aber hier geht es nahezu nicht um Inhalte, sondern um möglichst schnelles Abhaken der Agenda.
So hecheln die jungen Leute ihre Termine durch – Demo am Flughafen am 26. Juli ab 13 Uhr an Terminal 1, Aktionswoche im September auf dem Marktplatz, Protest vor dem Landtag, Dialog in der Villa Reitzenstein…. – aber es geht nicht um Inhalte, Ziele, Schlagkraft. Alles wirkt zufällig. Als bereits zwei Aktivistinnen zum Gehen stehen, fragt mich eine Dritte immerhin, ob ich etwas sagen möchte. Das finde ich höflich und angemessen, aber erwartungslos lehne ich dankend ab.
Als ich vor dem Gehen einen 17-jährigen Abiturienten um seine Kontaktdaten bitte, weil ich eventuell Unterstützer für die Demos wüßte, die mit Geld und Sachleistungen helfen, lehnt er dies ab mit dem Hinweis, alles an die zentrale Mail zu adressieren. Meinen Einwand, das sei mir zu unverbindlich und meine Ernsthaftigkeit habe ich mit meinem Kommen bewiesen, bügelt er mit Schulterzucken nieder und wendet sich ab. Meinen Hinweis, ich fände die Methodik hier diffus und nicht zielführend, kontert er gönnerhaft, erfolgstrunken und belehrend mit der Bemerkung „das werden wir sehen!“.
Mein Fazit: Die jungen Leute sind teils überfordert mit der positiven Resonanz, die sie auf ihre Proteste bekommen, teils scheinen sie davon wie berauscht. Ich würde den jungen Leuten mehr Demut, Struktur und Differenzierung wünschen. Denn das Klima zu retten, ist eine Herkulesaufgabe. Da braucht es viele helfende Hände und mitdenkende Köpfe, eventuell auch Respekt vor uns Älteren, die wir seit 35 Jahren die Umwelt- und Friedensbewegung stark gemacht und konsequent konsumkritisch gelebt haben. Das alles habe ich an diesem Montag vermisst. Entsprechend hat meine Hoffnung einen Dämpfer erlitten, dass wir die „Bewahrung der Schöpfung“ mit diesen Mitstreitern nun wirklich erreichen könnten.